Weitere Prozesstermine rund um’s Antiracamp

Neue Prozesstermine: Di., 24. November; Di., 8. Dezember; Di., 15. Dezember; Do., 17. Dezember jeweils um 8:00 Uhr im Plenarsaal (Raum 300), Sievekingplatz 3, Strafjustizgebäude, 20355 Hamburg.

„Chaos-Randale am Flughafen“

… betitelte die Bildzeitung ihren Artikel über die Abschlussdemo des letztjährigen Antira-Camps in Hamburg und war damit mal wieder so weit von der Realität entfernt wie nah am Polizeibericht. Da von Randale keine Spur war, muss den zahlreich anwesenden Polizeibeamt_innen wohl reichlich langweilig geworden sein. Ein Mitglied der Einsatzleitung entschloss sich jedenfalls, eine Person aufgrund eines am „Befehlskraftwagen“ angebrachten Aufklebers wegen Sachbeschädigung (!) festzunehmen.

Weil der Festnahmeversuch für den Polizisten dort endete, wo sonst in der Regel nur Demonstrant_innen landen, nämlich auf dem Boden, hat das Ganze nun ein juristisches Nachspiel. Über die durchaus spannenden Fragen, was der Polizist in der Demo überhaupt zu suchen hatte und wie er darüber hinaus noch auf die Idee kommen konnte, jemanden wegen eines Aufklebers tätlich anzugreifen, wird leider wohl nicht verhandelt werden. Stattdessen sind fünf Antirassisten wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand angeklagt, da sie den Beamten gemeinschaftlich verprügelt haben sollen.

Die Verhandlung verspricht auch deshalb interessant zu werden, weil einer der Hauptbelastungszeugen, der Leiter der Hamburger Bereitschaftspolizei, Hartmut Dudde, Prügeln sonst keineswegs ablehnend gegenüber steht. Im Gegenteil: „Heute fangen wir mal an. Haut mal schön rein“, soll Dudde seinen Untergebenen laut der taz beim Schanzenfest im Juli 2009 gesagt haben (siehe http://www.taz.de/regional/nord/hamburg/artikel/1/ueberzeugungstaeter-stoppen). Dementsprechend ist er in Hamburg kein Unbekannter und selbst die taz kommt zu der Einschätzung: „Polizeiführer wie […] Hartmut Dudde sind Überzeugungstäter. Sie wissen genau, was sie nicht dürfen – und sie tun es dennoch.“ Mit solch unsympathischen Gestalten wollen die Angeklagten nicht alleine gelassen werden, sondern freuen sich stattdessen auf viele Freund_innen und Genoss_innen, die sie auch vor Gericht unterstützen. Deshalb: Kommt zum Prozess!

Neue Prozesstermine: Di., 24. November; Di., 8. Dezember; Di., 15. Dezember; Do., 17. Dezember jeweils um 8:00 Uhr im Plenarsaal (Raum 300), Sievekingplatz 3, Strafjustizgebäude, 20355 Hamburg.

Presseerklärung des Bundesvorstands: Strasbourg – Politisches Urteil gegen Anti-NATO-Aktivisten!

Bei den Protesten gegen den NATO-Gipfel, der Anfang April in Strasbourg und Kehl
stattfand, ging die Polizei insbesondere auf der französischen Seite mit
brutaler Härte gegen DemonstrantInnen vor. Durch massive Tränengas- und
Knüppeleinsätze wurden Hunderte von NATO-GegnerInnen verletzt, Dutzende wurden
festgenommen. In mehreren Schnellverfahren, die eine sinnvolle Verteidigung
praktisch unmöglich machen und sämtliche rechtsstaatlichen Grundsätze komplett
über Bord werfen, wurden Haft- und Bewährungsstrafen verhängt, darunter auch
gegen mehrere aus Deutschland stammende Aktivisten.

Nach mehreren Prozessen gegen zum Teil schon seit Monaten in U-Haft sitzende
Aktivisten ging nun am 16.11.2009 vor dem Tribunal de Grande in Strasbourg der
Prozess gegen zwei Rostocker zu Ende. Das Urteil: Jeweils eine Haftstrafe von
vier Jahren, von der nur ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt ist.

Ihnen war vorgeworfen worden, während der Proteste gegen den mit massiver
Staatsgewalt durchgesetzten NATO-Gipfel die Zollstation auf französischer Seite
in Brand gesetzt zu haben. Obwohl den 18- und 21-Jährigen zu keinem Zeitpunkt
nachgewiesen werden konnte, Urheber dieses Zollstationsbrandes gewesen zu sein,
legte das Gericht bei der so genannten Beweisaufnahme den justiziellen Fokus auf
die Bewertung der zum Tatzeitpunkt festzustellenden Gesamtumstände. Um daraus
nach kurzer Verhandlungsdauer den Schluss zu ziehen, dass das von den beiden
Angeklagten eingeräumte affektartige Anzünden eines Holzteils (im bereits
brennenden Gebäude) Menschen in Gefahr gebracht habe. Zum Zeitpunkt des Brandes
befanden sich aber keine Personen im Gebäude; außerdem verwehrte die
französische Polizei der Feuerwehr die Zufahrt zum Löschen.

Bei diesem ganzen Schauprozess, der von einseitiger Beweiswürdigung geprägt war,
ist mehrfach deutlich geworden, dass der politische, von höchster Stelle
abgesegnete Wille, das bisher härteste Urteil zu sprechen, judikativ
durchgesetzt werden sollte, um die linke GegnerInnenschaft zu imperialistischen
Kriegen per se zu kriminalisieren und die Anti-NATO-Protestkultur als ganze zu
diskreditieren. Besonders offensichtlich wurde dies in den
verschwörungstheoretisch basierten Vermutungen des zuständigen Staatsanwalts,
dass hinter der Tat der beiden Rostocker eine kriminelle Vereinigung stecke,
bei der es sich um den „Black Block“ handle…

Die beiden Rostocker Genossen sind zwei weitere Sündenböcke, die der
französische Staat braucht, um sich als Mitveranstalter des
NATO-Jubiläumsgipfels nachträglich in ein besseres Licht rücken und sich
fürderhin als Kontrollmacht präsentieren zu können, die die Aufrechterhaltung
von Sicherheit und Ordnung letzten Endes doch im Griff hat. Außerdem fiel
dieses politische Urteil auch deswegen so hoch aus, „um der in diesem Fall
gegen eine unbekannte kriminelle Gruppe ermittelnden Rostocker
Staatsanwaltschaft im Nachhinein noch eine juristische Rechtfertigung für deren
völlig überzogene Ermittlungsmethoden zu liefern. Derzeit lässt die Rostocker
Staatsanwaltschaft Zwangsgeld verhängen und droht einzelnen
FriedensaktivistInnen mit Zwangshaft, um die TeilnehmerInnenliste der Busreise
nach Strasbourg zu bekommen.“ (aus der Presseerklärung des Legal Team)

Die Rote Hilfe ist entsetzt über dieses Gesinnungsurteil und fordert die
sofortige Freilassung aller inhaftierten Aktivisten und die Einstellung aller
noch laufenden Verfahren!
Wir werden der staatlichen Repression unsere stärkste Waffe entgegensetzen: die
Solidarität.
Unterstützt die politischen Gefangenen und alle Angeklagten durch
Öffentlichkeitsarbeit, Spenden und Soli-Aktionen!

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.

Pressemitteilung des Legal Team Strasbourg vom 17.11.2009

Wir dokumentieren eine Pressemitteilung des Legal Team Strasbourg:

Überaus hartes Urteil gegen NATO-Gipfelgegner in Strasbourg
Massives Vorgehen der Repressionsbehörden in Rostock gegen Friedensaktivisten

Mit einer überaus harten Haftstrafe von 4 Jahren, von der nur 1 Jahr zur Bewährung ausgesetzt wurde, ging der gestrige Prozess gegen 2 Rostocker Kriegsgegner vor dem Tribunal de Grande Instance in Strasbourg nach kurzer Verhandlungsdauer zu Ende. Den 18- und 21-jährigen wurde vorgeworfen, während der Demonstration gegen den NATO-Gipfel die Zollstation angezündet zu haben. Während der Tatverlauf selber unstrittig war, da die beiden zugaben, in einem anderen Gebäudeteil der schon brennenden Zollstation auch einen Brand gelegt zu haben, ging es bei der Beweisaufnahme um die Bewertung der Gesamtumstände. Dabei kam deutlich der Wille des Staatsanwaltes zum Ausdruck, hier ein hartes Urteil zu bekommen, um Kriegsgegner zu diskreditieren. So wurde ohne Angabe von Beweisen unterstellt, durch den Brand des Gebäudes seien Menschen in Gefahr gebracht worden.

Zum Zeitpunkt des Brandes befanden sich aber keine Personen im Gebäude. Tatsächlich nicht untersucht wurde die immer wieder gestellte Frage, warum damals die französische Polizei der Feuerwehr die Zufahrt zum Löschen verwehrte. Auch die Aussage des einen Angeklagten, dass die Jugendlichen keiner organisierten politischen Gruppe angehörten, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Ebenso wenig, dass in dem Bus, in dem sie nach Strasbourg gereist waren und der vom Rostocker Friedensbündnis organisiert wurde, zudem noch während der Anreise für den explizit gewaltfreien Protest geworben wurde. Stattdessen erging sich der Staatsanwalt in Vermutungen, dass hinter der Tat der beiden Rostocker eine kriminelle Vereinigung steckte; mehrmals erwähnte er dabei das Phantom Black Block, um möglichst viel kriminelle Energie in die Situation hineinzudichten.

Das Legalteam ist entsetzt über dieses politisch motivierte Urteil und die einseitige Beweiswürdigung. Der Richter hat die Aussagen der Jugendlichen nicht berücksichtigt, die im schon brennenden Gebäude ein weiteres Holzteil mehr affektartig anzündeten; in einer für sie schwierigen Situation der direkten Wahrnehmung von eskalierender Polizeigewalt mit Tränengas. In der Schnelle konnten sie die Folgen nicht abschätzen und den eventuellen Vorwurf einer Brandstiftung in Betracht ziehen. In ihrem Schlussplädoyer bereuten sie ihre Tat, was aber auch im Urteil nicht berücksichtigt wurde. Wir haben den Eindruck, dass hier zwei junge Menschen die traumatisierende Erfahrung des Knastalltags erleben müssen und um ihre Ausbildungsstelle gebracht und aus der Abiturprüfung herausgerissen wurden, weil zwei Sündenböcke für die unpassenden Geburtstagsbilder des NATO Gipfels her mussten. Deren Leben und Zukunftsperspektiven werden für eine Tat beeinträchtigt, die unter nicht politisch motivierten Bedingungen, zumal bei Ersttätern, deutlich geringer bestraft würde.

Das Legal Team kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses politische Urteil auch deswegen so hoch ausfiel, um der in diesem Fall gegen eine unbekannte kriminelle Gruppe ermittelnden Rostocker Staatsanwaltschaft im Nachhinein noch eine juristische Rechtfertigung für deren völlig überzogene Ermittlungsmethoden zu liefern. Derzeit lässt die Rostocker Staatsanwaltschaft Zwangsgeld verhängen, und droht einzelnen FriedensaktivistInnen mit Zwangshaft, um die Teilnehmerliste der Busreise nach Strasbourg zu bekommen. Nur mit einem möglicherweise hoch zu bestrafenden Anlassverfahren, dürfen solche Zwangsmassnahmen überhaupt eingesetzt werden. Offensichtlich will der Rostocker Oberstaatsanwalt Peter Lückemann das Verfahren in Strasbourg nutzen, um die linke Szene in Rostock zu durchleuchten. Dagegen gingen schon am Wochenende 500 Menschen in Rostock auf die Strasse. Am Donnerstag sind weitere Zeugenvernehmungen durch die Staatsanwaltschaft angesetzt.