Prozess um Wirksamkeit der EU-Terrorliste vor dem Europäschen Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg – Rechtssicherheit oder Feindstrafrecht
Im März dieses Jahres wurde vor dem OLG Düseldorf ein Prozess gegen drei türkische Linke Aktivisten eröffnet. Gegenstand der Anklage sind dabei vermeintliche Verstöße gegen § 34 AWG in Zusammenhang mit einer vorgeworfenen Mitgliedschaft in einer auf der EU-Terrorliste gelisteten Organisation. Konkrete Vorwürfe betreffen allerdings fast ausschließlich die Arbeit in legalen Kulturvereinen, Solidaritätsarbeit zur menschenrechtwidrigen Situation in türkischen Gefängnissen und die finanzielle Unterstützung politischer Gefangener. Auf dieser dürftigen Grundlage wird den Betroffenen zudem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland – der DHKP/C – gemäß §129 b Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen.
Einige Rechtsfragen hat der zuständige Senat des OLG Düsseldorf dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EUGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die mündliche Verhandlung vor der großen Kammer des EuGH findet am 12. Mai statt.
„Es soll hauptsächlich geklärt werden ob eine Listung einer Organisation auf der EU‐Terrorliste auch dann Bestand haben kann, wenn sie unter schwersten Verfahrensfehlern zustande kam und die betreffende Organisation bisher nicht dagegen klagte“ erklärt dazu Rechtsanwältin Britta Eder. Darüber hinaus steht zur Entscheidung ob auch die Entgegennahme von Geldern durch Mitglieder oder das Weitergeben von Mitgliedern einer auf der EU Terrorliste gelisteten Organisation sanktionierbar sein kann. „Dieses Verfahren kann daher also auch europaweit erhebliche Auswirkungen haben“ ergänzt Rechtsanwältin Anni Pues.
Auch für den weiteren Prozess vor dem OLG Düsseldorf ist der Ausgang des europäischen Verfahrens nicht unerheblich, insbesondere da der überwiegende Teil der Anklage auf vermeintliche Vergehen vor 2007 beruht und der Europäische Gerichtshof bereits mehrfach entschieden hatte, dass die Listungen unter schwersten Verfahrensfehlern litten.
Das grundsätzliche Problem in dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf ist jedoch das Anklagekonstrukt an sich, aufgrund dessen es nicht mehr dem jeweiligen Strafgericht zu beurteilen und zu überprüfen obliegt, ob es sich bei einer Organisation tatsächlich um eine terroristische Vereinigung handelt. Diese Entscheidung soll vielmehr durch die grund‐ und menschenrechtlich höchst fragwürdige Aufnahme der Organisation auf die EU-Terrorliste vorweggenommen und somit einer effektiven, einem Strafverfahren angemessenen, gerichtlichen Kontrolle entzogen werden. Die EU‐Terrorliste wird durch ein Gremium des EU Rats, meist auf unhinterfragten Geheimdienstinformationen aus einem beantragenden Staat erstellt. Der Sonderermittler der EU, Dick Marty, sprach in Bezug auf eine Listung von einer zivilen Todesstrafe und einem rechtsstaatlichen Skandal unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung. Mit dem neuen Anklagekonstrukt soll demzufolge nach Einschätzung der Verteidigung und von Menschenrechtlern ein neues Mittel der Kriminalisierung unliebsamer politisch Tätiger Menschen erprobt werden.
Das mündliche Verfahren der großen Kammer vor dem EuGH in Luxemburg findet am 12. Mai 2010 ab 9.30 Uhr statt.
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