Veranstaltung: EU-Terrorliste und Außenwirtschaftsgesetz

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Zum Thema hier auch die aktuelle Presseerklärung der Anwält_innen zum Vorabentscheidungsverfahren EuGH / AWG / OLG Düsseldorf

Pressemitteilung

Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ‐ § 34 Abs. 4 Außenwirtschaftsgesetz
entfällt weitgehend als Anklagepunkt gegen türkische Linke vor dem OLG Düsseldorf

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, hat am Dienstag, den 29.06.2010 das
Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren verkündet. Der EuGH teilt weitgehend die Rechtsauffassung der
Verteidigung und beruft sich positiv auf die Charta der Vereinten Nationen.

In dem Urteil des EuGH heißt es: „Die Beschlüsse des Rates, mit denen die DHKP‐C vor Juni 2007 unter Verstoß
gegen elementare Verfahrensgarantien in Listen aufgenommen wurde, die im Rahmen von Maßnahmen zur
Bekämpfung des Terrorismus erstellt wurden, können nicht dazu beitragen, die strafrechtliche Verfolgung von
Mitgliedern der genannten Organisation zu stützen, die nicht in diese Listen aufgenommen wurden.“ Der
EuGH führt in der Urteilsbegründung aus, dass die Aufnahme der DHKP/C in die Liste vom 27. Dezember 2001
ungültig ist.

Deshalb sei eine strafrechtliche Verurteilung aufgrund der Listung im Zusammenspiel mit dem § 34 AWG Abs.
4 bis zum Juni 2007 nicht möglich. Die Ansicht der Bundesanwaltschaft (BAW) und des Europäischen Rates, dass
gravierende Fehler bei der Listung bis Juni 2007 durch einen neuen Listungsbeschluss des Rates vom 29. Juni
2007, in dem das Aufnahmeverfahren geändert wurde, nachträglich geheilt würden, wurde abgewiesen. Es gilt
somit das Verbot der Rückwirkung von Vorschriften, die zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen können.
Wie schon in zahlreichen Urteilen zuvor bescheinigt der EuGH dem Europäischen Rat die Verletzung
gravierender Verfahrensgarantien, bei der Erstellung der so genannten EU‐Terrorliste (Verordnung EG Nr.
2580/2001). Weder hätten Gelistete Organisationen bis Juni 2007 eine Begründung für die Aufnahme in die Liste
erhalten können, noch wäre es möglich gewesen, dass einer der Angeklagten die Listung der Organisation hätte
vorgehen können, da ihnen dazu eine erkennbare Befugnis fehlte. Der EuGH äußert sich dazu: „Das Fehlen einer
Begründung für die Aufnahme der DHKP‐C in die Liste ist zudem geeignet, eine angemessene gerichtliche
Kontrolle ihrer materiellen Rechtmäßigkeit zu vereiteln. Die Möglichkeit einer solchen Kontrolle ist aber
unerlässlich (…)“

Daraus folgt, dass das OLG Düsseldorf die Anklage in Bezug auf die Zeit bis zum Juni 2007 nicht auf den § 34
AWG in Zusammenhang mit der EU‐Terrorliste (den Ratsbeschluß) stützen kann. Die Verteidigung ist darüber
hinaus der Auffassung, dass aufgrund des Urteils des EuGH der Strafvorwurf des § 34 Abs. 4
Außenwirtschaftsgesetz insgesamt nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Damit ist die Straferwartung
erheblich reduziert. Die Angeklagten müssen aufgrund dieser Entscheidung, aus Sicht der Verteidigung sofort
aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Das Urteil bedeutet, dass für den Zeitraum bis Juni 2007 hinsichtlich sämtlicher gelisteter Organisationen und
Personen, in keinem europäischen Land strafrechtliche Sanktionen auf die Listung gestützt werden können.
Einer zunehmenden beliebigen Kriminalisierung unliebsamer Menschenrechts‐ und Oppositionsbewegungen,
wird so zumindest diesbezüglich Einhalt geboten.

für die Verteidigung Nurhan Erdem: RA Fritz von Beesten, RA Dr. F. C. Keil, RAin Barbara Möller
für die Verteidigung Achmet Istanbullu: RAin Edith Lunnebach und RA Franz Hess
für die Verteidigung Cengiz Oban: RAin Anni Pues und RAin Britta Eder