Der Immunitätsausschuss hat gestern die Immunität der Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke aufgehoben und damit den Weg frei gemacht für ein von der Münchener Staatsanwaltschaft forciertes Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Nicole Gohlke hatte bei einer Solidaritätskundgebung für die von den Terrortruppen des islamistischen IS bedrohte Stadt Kobane eine Fahne der PKK hochgehalten mit den Worten: „Ich fordere die Bundesregierung auf, Symbole wie diese hier nicht länger zu kriminalisieren, denn unter dieser Fahne wird in diesen Minuten ein Kampf für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie geführt. Weg mit dem Verbot der PKK!.“
Die Staatsanwaltschaft und der Immunitätsausschuss des Bundestags setzen damit nicht nur die unerträgliche Kriminalisierung der einzigen politischen Kraft fort, die in der türkisch-syrischen Grenzregion eine basisdemokratische und emanzipatorische Perspektive vorantreiben könnte. Sie verhalten sich zugleich so, als müssten sie noch einmal überdeutlich klarstellen, dass in der Bundesrepublik Deutschland nicht gleiches Recht für alle gilt – nicht einmal für alle Bundestagsabgeordneten. Erst vor drei Wochen hatte der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Volker Kauder gegenüber dem Spiegel aus machtpolitischen Erwägungen vorgeschlagen, Waffen an die PKK zu liefern. Keine Staatsanwaltschaft hat gegen ihn ermittelt, kein Bundestagsabgeordneter seine Immunität angezweifelt.
Alle Solidaritätsbekundungen mit den Menschen in Syrien, die dem Terror des Islamischen Staates ausgesetzt sind, erweisen sich als Heuchelei, solange die Kraft, die den Islamisten vor Ort den entschiedensten Widerstand entgegensetzt, in der BRD verfolgt und kriminalisiert wird. Seit dem Betätigungsverbot, das die BRD 1993 gegen die PKK erließ, sind Menschen wegen ihres Engagements für die PKK in Deutschland verfolgt, verhaftet, verurteilt, oder – wie 1994 der 16-jährige Halim Dehner – getötet worden. Die Solidarität der Roten Hilfe galt und gilt all diesen
wegen ihrer politischen Haltung Verfolgten. Das PKK-Verbot war und ist Unrecht und muss unverzüglich aufgehoben werden!
Wir fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungen gegen Nicole Gohlke und die Rehabilitierung aller, die in den vergangenen 20 Jahren wegen Verstoßes gegen das PKK-Verbot verurteilt wurden.
H. Lange für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.
Göttingen, den 10.11.2014