Presseerklärung des Bundesvorstands: Strasbourg – Politisches Urteil gegen Anti-NATO-Aktivisten!

Bei den Protesten gegen den NATO-Gipfel, der Anfang April in Strasbourg und Kehl
stattfand, ging die Polizei insbesondere auf der französischen Seite mit
brutaler Härte gegen DemonstrantInnen vor. Durch massive Tränengas- und
Knüppeleinsätze wurden Hunderte von NATO-GegnerInnen verletzt, Dutzende wurden
festgenommen. In mehreren Schnellverfahren, die eine sinnvolle Verteidigung
praktisch unmöglich machen und sämtliche rechtsstaatlichen Grundsätze komplett
über Bord werfen, wurden Haft- und Bewährungsstrafen verhängt, darunter auch
gegen mehrere aus Deutschland stammende Aktivisten.

Nach mehreren Prozessen gegen zum Teil schon seit Monaten in U-Haft sitzende
Aktivisten ging nun am 16.11.2009 vor dem Tribunal de Grande in Strasbourg der
Prozess gegen zwei Rostocker zu Ende. Das Urteil: Jeweils eine Haftstrafe von
vier Jahren, von der nur ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt ist.

Ihnen war vorgeworfen worden, während der Proteste gegen den mit massiver
Staatsgewalt durchgesetzten NATO-Gipfel die Zollstation auf französischer Seite
in Brand gesetzt zu haben. Obwohl den 18- und 21-Jährigen zu keinem Zeitpunkt
nachgewiesen werden konnte, Urheber dieses Zollstationsbrandes gewesen zu sein,
legte das Gericht bei der so genannten Beweisaufnahme den justiziellen Fokus auf
die Bewertung der zum Tatzeitpunkt festzustellenden Gesamtumstände. Um daraus
nach kurzer Verhandlungsdauer den Schluss zu ziehen, dass das von den beiden
Angeklagten eingeräumte affektartige Anzünden eines Holzteils (im bereits
brennenden Gebäude) Menschen in Gefahr gebracht habe. Zum Zeitpunkt des Brandes
befanden sich aber keine Personen im Gebäude; außerdem verwehrte die
französische Polizei der Feuerwehr die Zufahrt zum Löschen.

Bei diesem ganzen Schauprozess, der von einseitiger Beweiswürdigung geprägt war,
ist mehrfach deutlich geworden, dass der politische, von höchster Stelle
abgesegnete Wille, das bisher härteste Urteil zu sprechen, judikativ
durchgesetzt werden sollte, um die linke GegnerInnenschaft zu imperialistischen
Kriegen per se zu kriminalisieren und die Anti-NATO-Protestkultur als ganze zu
diskreditieren. Besonders offensichtlich wurde dies in den
verschwörungstheoretisch basierten Vermutungen des zuständigen Staatsanwalts,
dass hinter der Tat der beiden Rostocker eine kriminelle Vereinigung stecke,
bei der es sich um den „Black Block“ handle…

Die beiden Rostocker Genossen sind zwei weitere Sündenböcke, die der
französische Staat braucht, um sich als Mitveranstalter des
NATO-Jubiläumsgipfels nachträglich in ein besseres Licht rücken und sich
fürderhin als Kontrollmacht präsentieren zu können, die die Aufrechterhaltung
von Sicherheit und Ordnung letzten Endes doch im Griff hat. Außerdem fiel
dieses politische Urteil auch deswegen so hoch aus, „um der in diesem Fall
gegen eine unbekannte kriminelle Gruppe ermittelnden Rostocker
Staatsanwaltschaft im Nachhinein noch eine juristische Rechtfertigung für deren
völlig überzogene Ermittlungsmethoden zu liefern. Derzeit lässt die Rostocker
Staatsanwaltschaft Zwangsgeld verhängen und droht einzelnen
FriedensaktivistInnen mit Zwangshaft, um die TeilnehmerInnenliste der Busreise
nach Strasbourg zu bekommen.“ (aus der Presseerklärung des Legal Team)

Die Rote Hilfe ist entsetzt über dieses Gesinnungsurteil und fordert die
sofortige Freilassung aller inhaftierten Aktivisten und die Einstellung aller
noch laufenden Verfahren!
Wir werden der staatlichen Repression unsere stärkste Waffe entgegensetzen: die
Solidarität.
Unterstützt die politischen Gefangenen und alle Angeklagten durch
Öffentlichkeitsarbeit, Spenden und Soli-Aktionen!

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.