Am 16.09.2011 fuhren mehr als 30 MenschenrechtlerInnen und PolitikerInnen
aus der Schweiz, El Salvador, Deutschland, der Türkei und Kurdistan in
Richtung jenes Sammelgrabs, in dem Ronahi (Andrea Wolf) und ca. 40
weitere, 1998 vom türkischen Militär gefolterte und ermordete Guerillas
liegen. Unter den TeilnehmerInnen der Delegation befanden sich
Familienangehörige der Ermordeten, Mitglieder des Vereins der Angehörigen
von Verschwundenen, WissenschaftlerInnen, Mitglieder der Internationalen
Unabhängigen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Todesumstände von
Ronahi/Andrea Wolf (IUK), ÄrztInnen und JournalistInnen.
Die IUK hatte im
Vorfeld in Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsverein IHD Van bei den
türkischen Behörden erwirkt, dass die Delegation das Sammelgrab in der
Nähe der Stadt Catak ohne behördliche, polizeiliche oder militärische
Repression erreichen und dort eine Kundgebung abhalten könne. Anschließend
sollte eine erneute Anzeige beim Staatsanwalt in Catak gestellt werden.
Doch es kam anders: Auf ihrem Weg zu einem der Massengräber in der Region
Catak wurde die Delegation von schwer bewaffnetem türkischen Militär
aufgehalten und an der Weiterreise gehindert. Die Region dürfe aus
„Sicherheitsgründen“ nicht betreten werden.
Nichtsdestotrotz stellte die Delegation im Namen der Mutter von Andrea
Wolf und gemeinsam mit Angehörigen anderer Ermordeter Strafanzeige bei der
Staatsanwaltschaft in Catak. Nachdem die MenschenrechtlerInnen auf einer
Pressekonferenz am gestrigen Dienstag die Aufklärung des Massenmords und
eine Anklage wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit gefordert hatten,
gerieten sie selbst ins Visier der türkischen Repressionsbehörden. Die
Delegationsmitglieder Martin Glasenapp (Medico International) und der
Soziologe Martin Dolzer, die auf der Pressekonferenz gesprochen hatten,
wurden gegen Mitternacht von der türkischen Polizei aus ihrem Hotelzimmer
heraus inhaftiert. Vorgeworfen wird ihnen laut Staatsanwaltschaft,
„Propaganda für eine terroristische Vereinigung“ betrieben zu haben.
Mittlerweile sind sie wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Einmal mehr stellt dieses Eingreifen der türkischen Behörden den Versuch
dar, die Kriegsverbrechen der türkischen Armee zu vertuschen. Trotz
alledem kündigte die Delegation für den heutigen Tag weitere
Besichtigungen von Massengräbern an.
Die Rote Hilfe protestiert aufs Schärfste gegen die Behinderung und
Kriminalisierung der Arbeit der Menschenrechtsdelegation und fordert die
lückenlose Aufklärung aller Verbrechen.
Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe
[Informationen zur Ermordung Andrea Wolfs sind zu finden unter:
http://www.libertad.de/inhalt/spezial/andrea/awbuch/start.htm]