Repression im Vorfeld von Gipfelprotesten – EA-Info im Dez. 2016

Im Folgenden das EA-Info im Dezember 2016 (im Original hier):
Während unter Aktivist_innen die Vorbereitungen auf die Aktionen gegen den G20 erst beginnen, hat sich der Staatsapparat schon voll auf die politische Großlage eingestellt. Die Personalplanung steht, mehr als 10.000 Polizeikräfte werden im Einsatz sein, Sicherheitszonen im Stadtgebiet sind ausgerufen und zusätzliche Knastplätze werden freigehalten. Zu diesen Maßnahmen kommt weitere Repression hinzu. Im Vorfeld bedienen sich die Ermittlungsbehörden beispielsweise Anquatschversuchen, verdeckten Ermittler_innen, Observationen, Überwachung, („Gefährder“-)Ansprachen, Hausdurchsuchungen…
Vor größeren Gipfeltreffen gehören diese Repressionsmittel zum Standard. Auch vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm kam all das zum Einsatz. Die Mittel der Gegner_innen zu kennen heißt, einen verantwortlichen Umgang mit den eigenen Schwächen und Stärken erarbeiten zu können.

Anquatschversuche dienen unter anderem dazu, Informant_innen anzuwerben, sind aber auch dafür da, einfach nur einzuschüchtern. In der Regel sind es Mitarbeiter_innen des Verfassungsschutzes die hier aktiv werden. Sie haben keine polizeilichen Befugnisse sondern beschaffen sich mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen. Um ihr Agieren zu unterlaufen ist ein klarer, sofortiger Abbruch des Gesprächsversuchs das Mittel der Wahl. Je deutlicher dieser ausfällt und je schneller der Vorfall veröffentlicht wird, desto eher wird der Erfahrung nach kein weiterer Versuch unternommen. Neben dem Schutz davor, erneut angesprochen zu werden, besteht durch die Veröffentlichung für andere die Möglichkeit, aufmerksamer zu werden und einen Umgang damit zu finden.
Weiteres dazu findet ihr hier.

Verdeckte Ermittler_innen (VE) sind Polizeibeamt_innen. Es ist davon auszugehen, dass bereits VEs platziert sind oder noch an die, aus ihrer Sicht, geeignete Stelle/Gruppe gesetzt werden sollen. Klar ist: die Szene braucht offene Räume, wo neue Leute Anschluss finden können. Aber für bestimmte politische Aktionen kommen nur geschlossene Gruppen in Frage, deren Mitglieder ihren jeweiligen Hintergrund kennen und sich vertrauen (lest dazu unbedingt unseren Post zum Umgang mit VEs in unseren Zusammenhängen).
VEs agieren unter einer Tarnidentität mit echtem Ausweis und voller Geschäftsfähigkeit. Sie sollen die Szene ausspionieren und sammeln alle Informationen die sie kriegen können. Für diese Tätigkeit sind sie mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, die sie berechtigen, auch in den Nahbereich von Personen vorzudringen. Sie betreten Wohnungen und Privaträume und verhalten sich wie alle anderen auch. Die enttarnten Fälle zeigen den fortdauernden politischen Willen der Repressionsbehörden, auch rechtswidrig die Szene auszuspionieren.
(Infos zu den letzten drei Enttarnungen findet ihr unter:
VE Iris Plate: http://verdeckteermittler.blogsport.eu/
VE Maria Böhmichen: https://enttarnungen.blackblogs.org/
VE Astrid Oppermann: https://verdeckteermittlerinhh.blackblogs.org/ )

Überwachung und Observation sind sehr vielfältig. Die einfachsten Situationen des Alltags am Telefon, in der Kneipe, auf der Demo beinhalten viele Möglichkeiten für den Staatsapparat, Einblick in die Strukturen der Szene zu bekommen. Bei einer offenen Überwachung geht es neben der Informationsbeschaffung (wer trifft wen wo, welche Gruppen nehmen an welchen Vernetzungstreffen teil, etc.), auch um Verunsicherung.
Verdeckte Überwachung 
hat das Ziel, Informationen zu sammeln. Es macht keinen Unterschied, ob in einem konkreten Fall ermittelt wird oder ob präventiv die Strukturen aufgeschlüsselt werden sollen, um sie dann zu gegebener Zeit anzugreifen. Beides hat zum Ziel, den Widerstand der Struktur zu schwächen.
Bei Telefonüberwachung interessieren sich die Repressionsbehörden neben den Gesprächsinhalten auch für die Datenverbindungen, die Dauer und die Zeit der Gespräche. Es gibt keinen simplen und wirksamen Schutz gegen das Abhören von Telefonaten. Daher sollten Telefonate auf das Nötigste beschränkt werden; zusätzlich die Messenger-App „Signal“ zu verwenden erhöht die Sicherheit. Es ist auch möglich das Telefon oder Handy zu nutzen, um den Raum, in dem es sich befindet, abzuhören. Sicherheit bietet hier nur, kein Telefon dabei zu haben.
Bei der Funkzellenabfrage werden alle Mobiltelefone erfasst, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Funkzelle angemeldet haben. Nicht nur darum darf das Handy auch gerne mal zu Hause bleiben – das erschwert auch die Erstellung eines Bewegungsprofils.
Bei Mailüberwachung werden sowohl 
Inhalte erfasst als auch welche Adressen miteinander korrespondieren. Gegen das Mitlesen der Inhalte hilft, diese mit GPG zu verschlüsseln. Aber auch jede noch so effektive Verschlüsselung sollte eine_n nicht in falscher Sicherheit wiegen – bei Kommunikation gilt: egal ob in der Kneipe oder verschlüsselt, es gibt Dinge, die nicht in einem angreifbaren Rahmen besprochen werden sollten.
Bei der Überwachung der Datenverbindungen vom PC/Handy wird 
erfasst, welche Internetseiten aufgerufen werden. Dagegen schützt das Anonymisierungs-Tool TOR.
Der Großteil der Stadt sowie der gesamte öffentliche Nahverkehr sind mittlerweile videoüberwacht. Auch hiermit können Bewegungsprofile erstellt werden. Immer wieder werden auch szenerelevante Orte und Objekte überwacht.

Im Vorfeld von Aktionen/Demonstrationen sprechen Polizeibeamt_innen häufig Aktivist_innen an, um ihnen mitzuteilen, dass sie im Fokus der Behörden stehen und ihr Handeln genau in den Blick genommen wird (sogenannte „Gefährder“-Ansprachen). In diesem Zuge können auch Auflagen erteilt werden, z.B. aus bestimmten Gebieten fernzubleiben oder sich regelmäßig auf einer Polizeidienststelle zu melden. Der Ort der Ansprache ist beliebig. So wurden Aktivist_innen zu Hause oder auf der Arbeit aufgesucht, auf der Straße angesprochen oder zum Gespräch einbestellt.
Sprecht in eurer Gruppe darüber, was das für eure Aktivitäten heißt. Informiert die Antirepressionsgruppen eurer Stadt. Auch eine anwaltliche Beratung kann Sicherheit geben.

Im Vorfeld von großen Gipfeln ist es in der Vergangenheit zu Hausdurchsuchungen gekommen. Wichtig ist, sich gedanklich mit der Situation auseinander gesetzt zu haben, um handlungssicher zu sein. Regelmäßiges gründliches Aufräumen in den Zimmern und auf Speichermedien führt dazu, dass weniger (belastbares) Material gefunden werden kann. Verschlüsselung von Rechnern und Handys schützt diese vor dem Auslesen der auf ihnen gespeicherten Daten, ein Schredder vernichtet handschriftliche Aufzeichnungen.
Grundsätzlich gilt es, bei einer Hausdurchsuchung Ruhe zu bewahren und zu versuchen, die Handlungssouveränität zu behalten. Zu Beginn der Hausdurchsuchung sollte man sich den Durchsuchungsbeschluss zeigen lassen. So wird klar, was gesucht wird und wie der Tatvorwurf lautet. Zum Tatvorwurf sollte mensch unbedingt schweigen! Wenn irgendwie möglich sollten außerdem anwaltlicher Beistand und eigene Zeug_innen hinzugezogen werden. Der Anruf bei einer Anwaltskanzlei (oder dem EA – das EA-Handy ist nachts und am frühen morgen immer erreichbar) darf von der Polizei nicht verwehrt werden. Die Durchsuchung muss Zimmer für Zimmer erfolgen. In WGs darf nur das Zimmer des/der Tatverdächtigten und gemeinschaftlich genutzte Räume durchsucht werden. Beschlagnahmt werden dürfen Gegenstände, die als Beweismittel für das Verfahren von Bedeutung sind, aber auch strafrechtlich relevante Zufallsfunde. Im Anschluss an eine Hausdurchsuchung sollte ein Gedächtnisprotokoll geschrieben werden. Die Hausdurchsuchung sollte außerdem schnell veröffentlicht werden, spätestens nach deren Ende. – Mehr zu Hausdurchsuchungen hier und an anderer Stelle auf dieser Seite.

Der Schutz der Strukturen geht uns alle an und muss gemeinsamen getragen werden.
Lasst uns der Repression solidarisch entgegentreten!

Hilfe und Unterstützung bieten:
EA Hamburg (https://eahh.noblogs.org/, Kontakt über 040 432 78 778, Handy nachts und am frühen morgen: Nummer auf dem Anrufbeantworter – außerdem Veranstaltungen und Beratung für große und kleine Gruppen, Hausprojekte usw. auf Anfrage).
Rote Hilfe Hamburg (https://rotehilfehamburg.systemausfall.org/, Sprechstunde dienstags ab 19:30 Uhr im Centro Sociale).
Out of Action (https://outofaction.blackblogs.org, Sprechstunde 1. und 3. Mittwoch 19:30 – 20:00 im Schwarzmarkt).