Politisches Exempel im Elbchaussee-Verfahren erwartet

Am 10. Juli 2020 wird im Elbchaussee-Prozess das Urteil verkündet – ein Prozess, in dem fünf junge Aktivisten drei Jahre nach den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg mit hohen Haftstrafen überzogen werden sollen. Möglich wird die Verurteilung nur durch massive Rechtsbrüche, manipulierte Beweise und durch eine Anklage, die ein eindeutiges Urteil des Bundesgerichtshofs ignoriert.

Diese Anklage stellt ein Exempel der politischen Justiz dar und demonstriert in erster Linie den unbedingten Verfolgungswillen des deutschen Staates gegen diejenigen, die im Juli 2017 ihrem Protest gegen den G20 Ausdruck verliehen. Den fünf Aktivisten wird vorgeworfen, sich an einem militanten Demonstrationszug durch die Hamburger Elbchaussee beteiligt zu haben, in dessen Verlauf zahlreiche Autos und umliegende Geschäfte beschädigt wurden. Vier der Angeklagten werden allerdings keine konkreten strafbaren Handlungen zur Last gelegt, und auch die im fünften Fall vorgeworfenen Flaschenwürfe bilden keinen Anlass für einen eineinhalbjährigen Mammutprozess mit langer Untersuchungshaft.

Im Mittelpunkt der staatsanwaltlichen Argumentation steht die Konstruktion, dass alle Anwesenden gleichermaßen für alle Aktionen, die im Umfeld des Protestzugs stattfanden, verantwortlich sind, indem sie sich beim Loslaufen zur Begehung von Straftaten verabredet hätten. Damit berufen sich die Verfolgungsbehörden auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs von Mai 2017, das im Fall von Hooligans das „ostentative Mitmarschieren“ als „psychische Beihilfe“ für die gewalttätigen Mitglieder der Gruppe einstufte. Dabei schloss der BGH jedoch explizit die Übertragung auf politische Demonstrationen aus, wohl wissend, dass mit der Anwendung auf politische Proteste das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einen herben Schlag bekommen würde.

Genau diesen Schlag aber führt die Staatsanwaltschaft im Elbchausse Verfahren aus und hält an der Anklage fest, obwohl die polizeiliche „SoKo Schwarzer Block“ kaum hilfreiche Beweise verschaffen konnte. Das belastende Videomaterial wurde in winzigen Ausschnitten und ohne Angabe von Quellen eingeführt, die Auswertung von Luftbildern zeigte zwar einen Protestzug, aber ließ keine Rückschlüsse auf eine etwaige Absprache und Planung im Vorfeld zu, und einige zentrale Ermittlungsergebnisse erwiesen sich im Prozess als reine Arbeitshypothesen, die Staatsschutzbeamt*innen auf Grundlage der Lektüre von Büchern wie „Autonome in Bewegung“ aufgestellt hatten. Als sich die schriftlich festgehaltenen Aussagen der vernommenen Passant*innen bei ihrem Auftritt als Zeug*innen im Prozess als frei erfunden oder von den Beamt*innen verfälscht niedergeschrieben erwiesen, stellte das Gericht fest, auf das geschriebene Wort in den Polizeiakten sei „kein Verlass“. Trotz dieser denkbar schlecht gezimmerten Beweislage fordert die Staatsanwaltschaft Haftstrafen zwischen 2 Jahren und 6 Monaten für die damals minderjährigen Angeklagten und 4 Jahren und 9 Monaten für den angeklagten französischen Genossen.

„Es ist bezeichnend, dass das Gericht auf einer so schlampig erstellten und offensichtlich manipulierten Grundlage dieses Verfahren ernsthaft weitergeführt hat und die fünf jungen G20-Gegner verurteilen will“, erklärt Anja Sommerfeld für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. „Das einzige, was durch die jahrelange Ermittlungsarbeit der Sonderkommission in diesem Fall bewiesen werden konnte, sind Pfusch und systematische Fälschungen bei der polizeilichen Arbeit sowie die dahinterstehende politische Absicht, die Proteste gegen den Gipfel mit allen Mitteln zu delegitimieren und zu kriminalisieren. Wenn das Gericht der Konstruktion der Staatsanwaltschaft folgt und somit einen Demonstrationszug als organisierte kriminelle Bande einstuft, ist das ein Frontalangriff auf die Versammlungsfreiheit, der keinesfalls hingenommen werden darf.“