„Heute ist nicht der Tag, um törichte Forderungen von Politikern nach
möglichst harten Strafen zu erfüllen.“
(Richter Krieten zur Urteilsbegründung. Quelle: http://www.mopo.de/28237036)
Das Urteil im ersten Verfahren im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel ist
gefallen und man kann es wohl als ein Beispiel von Gesinnungsjustiz
bezeichnen. Es handelte sich um ein politisches Verfahren, bei dem es
nicht um eine inhaltliche Aufklärung der Vorwürfe ging.
Richter Johann Krieten, als rechter Hardliner bekannt, ging mit seinem
Urteil von 2 Jahren und 7 Monaten trotz der schwachen Beweislage weit
über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Diese begründete ihre
Forderung nach einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit der
Mitverantwortung des 21-jährigen Angeklagten durch die ihm vorgeworfene
Tat an den „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ am Freitagabend (an dem er
sich schon in Haft befand). Die Verantwortung der Polizei für die
Verschärfung des Klimas durch wiederholte Schikanen und Übergriffe
gegenüber Anreisenden und Camp-Aktivist*innen und den bis zum Angriff
der Polizei auf die Welcome-to-Hell-Demo friedlichen Protest seit Beginn
der Protestwoche bleibt hierbei unerwähnt.
Der Angeklagte P. soll laut Gericht am Abend des 6. Juli im
Schanzenviertel aus einer Gruppe heraus zwei Flaschen auf einen Berliner
Bereitschaftspolizisten geworfen haben. Dieser Polizist – der nach
eigener Aussage durch die Würfe nicht verletzt wurde – führte dann auch
mit Sicherung eines weiteren Beamten die Festnahme des vermeintlichen
Werfers durch. Der Tatvorwurf des Widerstands wurde damit begründet, daß
der Angeklagte sich in sog. „Embryonalhaltung“ der Festnahme widersetzt
habe. P.´s Anwältin erläuterte in ihrem Plädoyer, daß es sich dabei um
eine reflexartige Körperreaktion aus Angst und Eigenschutz und keinen
aktiven Widerstandsakt handelte.
Von der vermeintlichen Tat oder der Festnahmesituation liegen laut
Polizei keine foto- oder videodokumentarischen Aufzeichnungen vor.
Allein auf Basis der widersprüchlichen Aussagen der Polizeibeamten wurde
der Tatvorwurf des schweren Landfriedensbruches, gefährlicher
Körperverletzung, des Widerstands sowie der pünktlich zum G20-Gipfel
verschärfte Vorwurf des tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte (§
113 und 114 StGB) konstruiert. Letzteres diente Richter Krieten als
Grund, das Strafmaß auf diese absurde Höhe zu setzen.
Auch hat eine falsche Personenbeschreibung der Beamten nicht dazu
geführt die eindeutige Identität des Angeklagten anzuzweifeln.
Sollte sich dieser Umgang in der prozessualen Praxis etablieren, erhält
die Willkür in politisch-motivierten Verfahren einen legalistischen
Anstrich.
Zum Auftakt der G20-Verfahren müssen die Länge der Haftstrafe und die
scharf formulierte Urteilsbegründung als richtungsweisend für die
kommenden Prozesse begriffen werden. Krieten folgt mit diesem Urteil
trotz gegenteiliger Behauptung dem aus Politik- und Polizeikreisen
geforderten scharfen Vorgehen gegen linke und linksradikale
Aktivist*innen und Strukturen. Das Verfahren war eine rechtsstaatliche
Farce mit den Merkmalen eines politischen Schauprozesses und läßt für
die weiteren Prozesse das Schlimmste befürchten.
Für uns gilt darum umso mehr: Wir lassen niemanden allein. Lasst uns
zusammenstehen, lasst uns solidarisch sein!
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Hamburg, 30.08.2017