Am 07. Januar 2005 kam Oury Jalloh in der Gewahrsamszelle Nummer fünf des Dessauer Polizeipräsidiums ums Leben. Auch zwölf Jahre danach ist sein gewaltsamer Tod weder aufgeklärt noch wurden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.
Wir rufen zum Protest in Gedenken an Oury Jalloh und alle Opfer rassistischer Polizeigewalt am 07. Januar 2017 um 14.00 Uhr in Dessau-Roßlau auf. Denn: Oury Jalloh – das war Mord!
Nachdem er unrechtmäßig festgenommen und in Polizeigewahrsam festgehalten wurde, fixierte man Oury Jalloh auf einer feuerfesten Matratze und verbrannte ihn bei lebendigem Leib bis zur Unkenntlichkeit. Im Anschluss behaupteten die verantwortlichen Polizeibeamten, Oury Jalloh habe sich selbst getötet. Um den unter massivem Drogeneinfluss stehenden Mann vor sich selbst zu schützen, hätten die diensthabenden Beamten ihn auf einer feuerfesten Matratze fixiert. Dennoch habe er ein bei der Festnahme übersehenes Feuerzeug genutzt, um die Unterlage und damit sich selbst anzuzünden. Dass jede Hilfe zu spät kam, wurde auf die defekte Brandmeldeanlage geschoben, die man aufgrund häufig fehlerhaften Alarms abgeschaltet habe.
In einem an beispielloses Schmierentheater grenzenden ersten Verfahren wurden die angeklagten Beamten freigesprochen. Als Grund gab der Richter an, dass die Falschaussagen der Polizei eine zufriedenstellende Klärung des Sachverhalts unmöglich gemacht hätten. Gegen dieses lächerliche Urteil wurde Revision eingelegt, die zu einer Verurteilung des zuständigen Dienstgruppenleiters zu 10.800 Euro wegen „fahrlässiger Tötung“ führte – so viel ist dem Staat ein Menschenleben wert.
Bis heute fehlt seitens des Staates jegliche Bereitschaft, den Todesumständen Oury Jallohs ernsthaft auf den Grund zu gehen. Noch immer geht man trotz aller Widersprüche offiziell davon aus, dass er sich selbst angezündet habe. Doch: Oury Jalloh – das war Mord!
Mord aus niedrigsten, weil rassistischen Beweggründen – und überdies kein Einzelfall. Ebenfalls am 07. Januar 2005 verstarb Laye-Alama Conde in einer Bremer Klinik an den Folgen polizeilicher Folter durch den Einsatz von Brechmittel. Am 14. April 2006 wurde Dominique Kouamadio in Dortmund auf offener Straße von einem Polizisten erschossen, weil er ein Messer in der Hand hielt. Am 14. Januar 2007 verstarb Mohammad Sillah in Remscheid, weil ihm trotz massiver Beschwerden die medizinische Behandlung in einer Klinik verwehrt wurde. Bis zur Enttarnung des NSU 2011 wurden dessen Exekutionen migrantischer Mitbürger abfällig als „Dönermorde“ bezeichnet. Die Motive suchten die Ermittler lediglich im migrantischen Milieu. Damit wurden die Opfer selbst kriminalisiert und posthum verhöhnt. Am 05. März 2010 wurde Slieman Hamade während eines Polizeieinsatzes in Berlin-Schöneberg durch Reizgas getötet – im Hausflur vor seiner eigenen Wohnung, in die ihn die zur Schlichtung eines Nachbarschaftsstreits herbeigerufenen Beamten nicht zurückkehren lassen wollten. Am 19. Mai 2011 wurde Christy Schwundeck im Jobcenter in Frankfurt am Main von einer Polizistin niedergestreckt. Angeblich handelte es sich um Notwehr, doch die genauen Umstände des Geschehens wurden nie aufgeklärt.
All diese Verbrechen gegen Menschen, die als „Fremde“ diffamiert werden, verdeutlichen den Umgang mit dem als „anders“ definierten. Sie zeigen den Rassismus, der tief in den westeuropäischen Gesellschaften verwurzelt ist – Gesellschaften, die sich mit Vorliebe als humanistisch und aufgeklärt betrachten. Mit der steigenden Zahl der aus Kriegs- und Krisengebieten geflüchteten Menschen tritt der alltägliche Fremdenhass heute wieder immer deutlicher zu Tage. Er zeigt seine Fratze bei den rassistisch motivierten, menschenverachtenden Demonstrationen von Pegida und ähnlichen Zusammenschlüssen. Er liegt bei brutalen Übergriffen auf als „fremd“ wahrgenommene Menschen und Anschläge auf deren Wohnungen und Unterkünfte offen auf der Hand. Doch er ist keinesfalls ein neues Phänomen in unserer Gesellschaft, sondern vielmehr ein strukturelles Problem mit Tradition.
Die fehlende Bereitschaft zur Aufklärung offensichtlich rassistischer Straftaten durch die Polizei verzerrt das Bewusstsein der Öffentlichkeit hinsichtlich dieser Problematik aktiv. In geradezu kolonialistischer Manier wird so suggeriert, dass das Leben und die Würde von als „fremd“ definierten Personen minderwertig sind. Eine Aufklärung ihrer Todesumstände wird als nicht notwendig erachtet. Bei den verhaltenen Versuchen in diese Richtung kommen die Täter meist glimpflich oder gar ungestraft davon.
Außerdem werden Personen und Gruppierungen, die rassistische Staatsgewalt offen anprangern, dagegen protestieren und Aufklärung fordern, selbst staatlicher Repression ausgesetzt. Ihre Arbeit soll erschwert und sie selbst zur Aufgabe gezwungen werden. Die Rote Hilfe unterstützt die Betroffenen, um genau das zu verhindern.Denn wir dürfen und werden nicht schweigen! Der Kampf für Aufklärung und Gerechtigkeit muss weitergehen! Rassismus war, ist und bleibt ein Problem in unserer Gesellschaft, das es aktiv zu bekämpfen gilt!
Oury Jalloh – das war Mord! Oury Jalloh – das war kein Einzelfall! Lasst uns unsere Empörung darüber zeigen! Kommt am 07. Januar 2017 um 14.00 Uhr zur Demonstration nach Dessau-Roßlau und lasst uns in Gedenken an Oury Jalloh und alle Opfer rassistischer Polizeigewalt gemeinsam auf die Straße gehen!