Pressemitteilung: Stuttgart 21 – Polizeigewalt mit System

Mehrere hundert zum Teil schwer Verletzte durch Knüppel, Wasserwerfer und
Reizgas, viele davon SeniorInnen und Jugendliche, und zahlreiche
Festnahmen, das ist die Bilanz der staatlich angeordneten
Eskalationsstrategie bei der Demonstration gegen das milliardenschwere
Renommierprojekt „Stuttgart 21“ vom Donnerstag, den 30.09.2010.

Der Zynismus, mit dem die baden-württembergische Regierung auf die
exzessive Polizeigewalt gegen Stuttgart-21-GegnerInnen reagiert, ruft
mittlerweile allgemeine Fassungslosigkeit hervor. Ministerpräsident Stefan
Mappus offenbart ein vordemokratisches obrigkeitsstaatliches
Rechtsverständnis, wenn er verkündet: „Wer sich nicht an die Anweisungen
der Polizeibeamten hält, handelt rechtswidrig. Auf solche Situationen
mussten die Polizeibeamten reagieren.“ Und der Pressesprecher der
Stuttgarter Polizei erklärte: „Wenn Demonstranten sich nicht einwandfrei
verhalten, dann kann die Polizei auch mal hinlangen“.
Ganz nebenbei machen Mappus und sein Polizeisprecher damit Gehorsam und
„einwandfreies Verhalten“ zur Vorbedingung für das Recht auf körperliche
Unversehrtheit.

Eine von Innenminister Heribert Rech sofort in den Medien lancierte
Falschmeldung über angebliche Steinewerfer unter den DemonstrantInnen,
durch die der Polizeieinsatz nötig geworden sei, musste sein Ministerium
schon am nächsten Tag zurückziehen.

So berechtigt und notwendig die momentanen Proteste gegen die
Polizeigewalt in Stuttgart sind – das wirklich Außergewöhnliche am
Polizeieinsatz vom vergangenen Donnerstag war, dass seine Opfer auch mit
erhöhtem propagandistischen Aufwand nicht pauschal als „Linksextremisten“
diffamiert werden konnten. Sie bestanden zum Großteil aus gut bürgerlichen
älteren Damen und Herren, Schülerinnen und Schülern aus der so genannten
Mitte der Gesellschaft.
Für Linke dagegen ist das Vorgehen der Polizei keine Neuigkeit.
Die restriktive Auslegung des Versammlungsrechts, die
Eskalationsstrategie, die Konfrontation mit einer hochgerüsteten
Polizeiarmada, die Diffamierungs- und Desinformationspolitik im Anschluss
an die polizeiliche Gewalt – all das ist für Linke nicht nur in
Baden-Württemberg Alltag, wenn sie von ihrem Recht auf Demonstrations- und
Meinungsfreiheit Gebrauch machen wollen.

Es steht zu befürchten, dass die Polizei versucht, in Strafverfahren gegen
die am 30.09. festgenommenen Stuttgart-21-GegnerInnen eine nachträgliche
Legitimation für ihre Prügelorgien zu konstruieren.

Die Rote Hilfe e.V. wird alles in ihrer Macht Stehende dafür tun, dass
diese Strategie nicht aufgeht und die Angeklagten finanziell und politisch
unterstützen.

Für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

Mathias Krause

Pressemitteilung: „Zum Prozess gegen Verena Becker vor dem OLG Stuttgart-Stammheim“

bewegungsfreiheit_bild_300.jpg Am 30.09. beginnt im berüchtigten Prozessbunker in Stuttgart-Stammheim der Prozess gegen Verena Becker wegen der 1977 stattgefundenen Tötung des damaligen Generalbundesanwalts Siegfried Buback. Auch 33 Jahre später und mehr als zwölf Jahre nach der Auflösung der RAF ist der Verfolgungswille der deutschen Justiz ungebrochen.

Nachdem die letzten ehemaligen RAF-Mitglieder – oft nach mehr als zwanzig Jahren – die Gefängnisse verlassen haben, wird nun schon wieder anhand neuer Staatsschutzkonstrukte gegen sie ermittelt. Neue „Erkenntnisse“ sind nicht zu erwarten. Außer den fragwürdigen Aussagen des notorischen Kronzeugen Peter Jürgen Boock, der sich in regelmäßigen Abständen Staatsanwaltschaft und Medien mit immer neuen Tatversionen andient, und weiteren kolportierten Gerüchten vom Hörensagen gibt es keinerlei Beweise. Ehemalige Gefangene aus der RAF haben unmissverständlich erklärt, dass von ihnen keine Aussagen und Denunziationen zu erwarten sind (siehe den unten beigefügten Auszug aus der Erklärung vom Mai 2010).

Das angebliche Interesse des Staates an individuellen Tatbeteiligungen und Schuldzuweisungen ist schon deshalb absurd, weil es in den 1970er und 1980er Jahren herzlich gleichgültig war, welches RAF-Mitglied für welche Tat verurteilt wurde – solange die Gefangenen nur möglichst lange in den Knästen verschwanden. Der Prozess gegen Verena Becker scheint den Verfolgungsbehörden auch als Testballon und als Auftakt für neue Verfahren gegen ehemalige RAF-Mitglieder zu dienen. Gegen Stefan Wisniewski (inhaftiert von 1978-1999) und Rolf Heißler (in Haft von 1979-2001) laufen Ermittlungsverfahren, andere ehemalige Gefangene werden mit Beugehaft bedroht, um Aussagen von ihnen zu erpressen. Offensichtlich ist, dass mit den neuerlichen Verfahren der politische Konflikt zwischen Staat und RAF auf eine entpolitisierte Kriminalgeschichte heruntergebrochen werden soll. Herauskommen wird dabei keine wie auch immer geartete Annäherung an die „Wahrheit“, sondern der Austausch einer Staatsschutzversion gegen die nächste. Die Rote Hilfe e.V. fordert die Einstellung aller Verfahren und ein Ende der Beugehaft-Drohungen gegen die ehemaligen Gefangenen aus der RAF.

Für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. Mathias Krause

Zitat aus der Stellungnahme „von Einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren“, Mai 2010:

(…)

Wenn von uns niemand Aussagen gemacht hat, dann nicht, weil es darüber eine besondere »Absprache« in der RAF gegeben hätte, sondern weil das für jeden Menschen mit politischem Bewußtsein selbstverständlich ist. Eine Sache der Würde, der Identität – der Seite, auf die wir uns gestellt haben.

Keine Aussagen zu machen, ist keine Erfindung der RAF. Es hat die Erfahrung der Befreiungsbewegungen und Guerillagruppen gegeben, daß es lebenswichtig ist, in der Gefangenschaft nichts zu sagen, um die, die weiterkämpfen, zu schützen. Es hat die Bei­spiele des Widerstands gegen den Faschismus gegeben. Wer immer hier ernsthaft politisch etwas wollte, hat sich damit auseinandergesetzt und daraus gelernt. In der Studentenbewegung war Aussageverweigerung eine breit begriffene Notwendigkeit, als die Kriminalisierung losging. Seitdem sind Militante in vielen Bereichen damit konfrontiert worden. Genauso ist es für uns in der RAF eine notwendige Bedingung gewesen, daß niemand Aussagen macht. Einen anderen Schutz gibt es nicht – für die Einzelnen im Knast, für die Gruppe draußen und für den illegalen Raum insgesamt, die Bewegung in ihm, die Strukturen und die Beziehungen.

Aber auch so. Wir machen keine Aussagen, weil wir keine Staatszeugen sind, damals nicht, heute nicht.

Trotz Rasterfahndung haben es die hochgerüsteten Staatsschutzapparate in all den Jahren nicht geschafft, ein auch nur annäherndes Bild unserer Bewegungen zu bekommen. Auch die, die unter dem Druck der Isolation, der Hetze und der Erpressung zusammengebrochen und als »Kronzeugen« benutzt worden sind, haben nicht dazu beitragen können, das Bild zu vervollständigen. Die Bruchstücke, die sich der Staatsschutz zur allgemeinen Aufstandsbekämpfung zurechtgebastelt hat, nützen ihm wenig. Von der Vorgehensweise, der Organisation, der Spur, der Dialektik einer Metropolenguerilla hat er keine Ahnung. Es gibt keinen Grund, ihm dabei auf die Sprünge zu helfen. Die Aktionen der RAF sind kollektiv diskutiert und beschlossen worden, wenn wir uns einig waren. Alle, die zu einer bestimmten Zeit der Gruppe angehört und diese Entscheidungen mitgetragen haben, haben natürlich auch die Verantwortung dafür. Wir haben das oft erklärt, und unser Verhältnis dazu ändert sich nicht dadurch, daß die RAF Geschichte ist. (…)

Beratung vorübergehend NICHT im Centro, sondern im LIZ

Das Centro wird umgebaut, daher müssen wir vorübergehend umziehen. Die Beratung findet weiterhin jeden Dienstag von 19.30 bis 20 Uhr statt, aber nicht im Centro, sondern im LIZ in der Karolinenstraße..

Die Wegbeschreibung vom Centro zum LIZ könnt ihr dieser übersichtlichen Karte entnehmen. Durch einen Klick auf die Karte erhaltet ihr eine größere Version:


Veranstaltung über die Situation der von Repression betroffenen Kinder in den kurdischen Provinzen der Türkei

bewegungsfreiheit_bild_300.jpgVeranstaltung der Roten Hilfe – Ortsgruppe Hamburg, Arbeitsgruppe Kinderprozesse in Kurdistan der Roten Hilfe und ISKU – Informationsstelle Kurdistan e.V.

Referent: Martin Dolzer, Autor des Buches „Der türkisch-kurdische Konflikt“ (Pahl-Rugenstein 2010)

17.09.2010 – 19 Uhr – Centro Sociale

In den kurdischen Provinzen der Türkei führt das türkische Militär seit Jahren massive Militäroperationen durch. Seit gut drei Jahren werden immer mehr Kinder und Jugendliche, die dagegen protestieren, kriminalisiert und vermehrt auch zu hohen Haftstrafen verurteilt. Grundlage der jeweiligen Verurteilungen sind Paragraphen des so genannten „Anti-Terror Gesetzes“ aus dem Jahr 2006.

Es handelt sich dabei insgesamt um ca. 5000 Fälle. Allein in der Region Hakkari sind über dreihundert Fälle anhängig. Trotz der symbolischen Freilassungen einiger Kinder und Jugendlicher, die auf Demonstrationen vermeintlich Steine geworfen haben sollen, wird die Verurteilung der Kinder nach dem Antiterrorgesetz aufrecht erhalten.

Die mit den Verfahren beauftragten Anwält_innen sind zahlreichen Erschwernissen ausgesetzt, etwa Verwehrung der Akteneinsicht bis einige Tage vor Prozessen, Verweigerung des Besuchsrechts und Ab-hören von Mandant_innengesprächen, bis hin zu Bedrohung und Misshandlung durch Militär und Polizei.

Zum Thema gibt es einen lesenswerten Artikel in der aktuellen jungle world

Veranstaltung: EU-Terrorliste und Außenwirtschaftsgesetz

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Zum Thema hier auch die aktuelle Presseerklärung der Anwält_innen zum Vorabentscheidungsverfahren EuGH / AWG / OLG Düsseldorf

Pressemitteilung

Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ‐ § 34 Abs. 4 Außenwirtschaftsgesetz
entfällt weitgehend als Anklagepunkt gegen türkische Linke vor dem OLG Düsseldorf

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, hat am Dienstag, den 29.06.2010 das
Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren verkündet. Der EuGH teilt weitgehend die Rechtsauffassung der
Verteidigung und beruft sich positiv auf die Charta der Vereinten Nationen.

In dem Urteil des EuGH heißt es: „Die Beschlüsse des Rates, mit denen die DHKP‐C vor Juni 2007 unter Verstoß
gegen elementare Verfahrensgarantien in Listen aufgenommen wurde, die im Rahmen von Maßnahmen zur
Bekämpfung des Terrorismus erstellt wurden, können nicht dazu beitragen, die strafrechtliche Verfolgung von
Mitgliedern der genannten Organisation zu stützen, die nicht in diese Listen aufgenommen wurden.“ Der
EuGH führt in der Urteilsbegründung aus, dass die Aufnahme der DHKP/C in die Liste vom 27. Dezember 2001
ungültig ist.

Deshalb sei eine strafrechtliche Verurteilung aufgrund der Listung im Zusammenspiel mit dem § 34 AWG Abs.
4 bis zum Juni 2007 nicht möglich. Die Ansicht der Bundesanwaltschaft (BAW) und des Europäischen Rates, dass
gravierende Fehler bei der Listung bis Juni 2007 durch einen neuen Listungsbeschluss des Rates vom 29. Juni
2007, in dem das Aufnahmeverfahren geändert wurde, nachträglich geheilt würden, wurde abgewiesen. Es gilt
somit das Verbot der Rückwirkung von Vorschriften, die zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen können.
Wie schon in zahlreichen Urteilen zuvor bescheinigt der EuGH dem Europäischen Rat die Verletzung
gravierender Verfahrensgarantien, bei der Erstellung der so genannten EU‐Terrorliste (Verordnung EG Nr.
2580/2001). Weder hätten Gelistete Organisationen bis Juni 2007 eine Begründung für die Aufnahme in die Liste
erhalten können, noch wäre es möglich gewesen, dass einer der Angeklagten die Listung der Organisation hätte
vorgehen können, da ihnen dazu eine erkennbare Befugnis fehlte. Der EuGH äußert sich dazu: „Das Fehlen einer
Begründung für die Aufnahme der DHKP‐C in die Liste ist zudem geeignet, eine angemessene gerichtliche
Kontrolle ihrer materiellen Rechtmäßigkeit zu vereiteln. Die Möglichkeit einer solchen Kontrolle ist aber
unerlässlich (…)“

Daraus folgt, dass das OLG Düsseldorf die Anklage in Bezug auf die Zeit bis zum Juni 2007 nicht auf den § 34
AWG in Zusammenhang mit der EU‐Terrorliste (den Ratsbeschluß) stützen kann. Die Verteidigung ist darüber
hinaus der Auffassung, dass aufgrund des Urteils des EuGH der Strafvorwurf des § 34 Abs. 4
Außenwirtschaftsgesetz insgesamt nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Damit ist die Straferwartung
erheblich reduziert. Die Angeklagten müssen aufgrund dieser Entscheidung, aus Sicht der Verteidigung sofort
aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Das Urteil bedeutet, dass für den Zeitraum bis Juni 2007 hinsichtlich sämtlicher gelisteter Organisationen und
Personen, in keinem europäischen Land strafrechtliche Sanktionen auf die Listung gestützt werden können.
Einer zunehmenden beliebigen Kriminalisierung unliebsamer Menschenrechts‐ und Oppositionsbewegungen,
wird so zumindest diesbezüglich Einhalt geboten.

für die Verteidigung Nurhan Erdem: RA Fritz von Beesten, RA Dr. F. C. Keil, RAin Barbara Möller
für die Verteidigung Achmet Istanbullu: RAin Edith Lunnebach und RA Franz Hess
für die Verteidigung Cengiz Oban: RAin Anni Pues und RAin Britta Eder

Pressemitteilung: FAU Berlin gewinnt Prozess um Gewerkschaftsfreiheit

bewegungsfreiheit_bild_300.jpgIn zweiter Instanz ist am 10. Juni 2010 das per einstweiliger Verfügung erwirkte Verbot gegen die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU), sich als Gewerkschaft zu bezeichnen, gekippt worden. Das Berliner Kammergericht stellte in seiner Entscheidung auf den Grundsatz der Meinungsfreiheit ab und ließ die Frage der Tariffähigkeit, die zu dem de-facto-Verbot geführt hatte, unberührt.

Die Geschäftsführung des Berliner Kinos Babylon hatte seit 2008 gegen
die Selbstorganisation der Beschäftigten im eigenen Haus gearbeitet. Der
Betriebsrat ging an die Öffentlichkeit und brachte die niedrigen Löhne,
das schlechte Arbeitsklima und die auf Vereinzelung setzende
Personalpolitik zur Sprache. 2009 wurde der Geschäftsführung die FAU als
im Betrieb vertretene Gewerkschaft angezeigt.
Erst als zur Berlinale und in Folgemonaten der Protest gegen die
Lohnpolitik deutlicher und der Arbeitskampf auch mit Boykottaufrufen
geführt wurde, sah sich die Geschäftsführung in Bedrängnis und erwirkte
im Dezember 2009 per einstweiliger Verfügung das Verbot gegen die FAU,
sich als Gewerkschaft zu bezeichnen. Sie sei nicht tariffähig, urteilte
die erste Instanz.

„Der Erfolg gibt nicht zuletzt auch den vielen UnterstützerInnen und
SympathisantInnen recht, dass ein breiter, solidarischer Kampf möglich
und zielführend ist“, sagte Mathias Krause vom Bundesvorstand der Roten
Hilfe e.V. ?Die Organisation von Beschäftigten im Betrieb ist eine
Grundvoraussetzung für Gegenwehr und darf nicht eingeschränkt werden.?
Nicht zuletzt eröffne die Betonung der Meinungsfreiheit, dass es auch
außerhalb anerkannter Institutionen für Beschäftigte möglich ist, sich
zu organisieren und einen Arbeitskampf zu führen.

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

Göttingen, den 16.06.2010

EU-Terrorliste: Presseerklärung der Anwältinnen

Prozess um Wirksamkeit der EU-Terrorliste vor dem Europäschen Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg – Rechtssicherheit oder Feindstrafrecht

Im März dieses Jahres wurde vor dem OLG Düseldorf ein Prozess gegen drei türkische Linke Aktivisten eröffnet. Gegenstand der Anklage sind dabei vermeintliche Verstöße gegen § 34 AWG in Zusammenhang mit einer vorgeworfenen Mitgliedschaft in einer auf der EU-Terrorliste gelisteten Organisation. Konkrete Vorwürfe betreffen allerdings fast ausschließlich die Arbeit in legalen Kulturvereinen, Solidaritätsarbeit zur menschenrechtwidrigen Situation in türkischen Gefängnissen und die finanzielle Unterstützung politischer Gefangener. Auf dieser dürftigen Grundlage wird den Betroffenen zudem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland – der DHKP/C – gemäß §129 b Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen.

Einige Rechtsfragen hat der zuständige Senat des OLG Düsseldorf dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EUGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die mündliche Verhandlung vor der großen Kammer des EuGH findet am 12. Mai statt.

„Es soll hauptsächlich geklärt werden ob eine Listung einer Organisation auf der EU‐Terrorliste auch dann Bestand haben kann, wenn sie unter schwersten Verfahrensfehlern zustande kam und die betreffende Organisation bisher nicht dagegen klagte“ erklärt dazu Rechtsanwältin Britta Eder. Darüber hinaus steht zur Entscheidung ob auch die Entgegennahme von Geldern durch Mitglieder oder das Weitergeben von Mitgliedern einer auf der EU Terrorliste gelisteten Organisation sanktionierbar sein kann. „Dieses Verfahren kann daher also auch europaweit erhebliche Auswirkungen haben“ ergänzt Rechtsanwältin Anni Pues.

Auch für den weiteren Prozess vor dem OLG Düsseldorf ist der Ausgang des europäischen Verfahrens nicht unerheblich, insbesondere da der überwiegende Teil der Anklage auf vermeintliche Vergehen vor 2007 beruht und der Europäische Gerichtshof bereits mehrfach entschieden hatte, dass die Listungen unter schwersten Verfahrensfehlern litten.

Das grundsätzliche Problem in dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf ist jedoch das Anklagekonstrukt an sich, aufgrund dessen es nicht mehr dem jeweiligen Strafgericht zu beurteilen und zu überprüfen obliegt, ob es sich bei einer Organisation tatsächlich um eine terroristische Vereinigung handelt. Diese Entscheidung soll vielmehr durch die grund‐ und menschenrechtlich höchst fragwürdige Aufnahme der Organisation auf die EU-Terrorliste vorweggenommen und somit einer effektiven, einem Strafverfahren angemessenen, gerichtlichen Kontrolle entzogen werden. Die EU‐Terrorliste wird durch ein Gremium des EU Rats, meist auf unhinterfragten Geheimdienstinformationen aus einem beantragenden Staat erstellt. Der Sonderermittler der EU, Dick Marty, sprach in Bezug auf eine Listung von einer zivilen Todesstrafe und einem rechtsstaatlichen Skandal unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung. Mit dem neuen Anklagekonstrukt soll demzufolge nach Einschätzung der Verteidigung und von Menschenrechtlern ein neues Mittel der Kriminalisierung unliebsamer politisch Tätiger Menschen erprobt werden.

Das mündliche Verfahren der großen Kammer vor dem EuGH in Luxemburg findet am 12. Mai 2010 ab 9.30 Uhr statt.

Für Rückfragen steht Ihnen jederzeit gerne unser Öffentlichkeitsreferent Martin Dolzer unter der Tel.Nr.: 0049-176 207 05 646 zur Verfügung.

EU-Terrorlisten: Presseerklärung des RAV

EU-Terrorlisten: Mündliche Verhandlung am 12. Mai 2010 am Europäischen Gerichtshof über eine Vorlage des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Gültigkeit der EU-Terrorlisten

Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Frage, ob die Aufnahme einer Organisation in die EU-Terrorliste (hier der DHKP-C) wirksam ist und Grundlage nationaler Strafverfolgung sein kann, wenn die Organisation selbst keine Klage gegen die sie betreffenden Beschlüsse erhoben hat, aber deren Listung unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien zustande gekommen ist.

Hier gibt es die Presseerklärng des RAV als PDF zum Download

Der Fall:
Vor dem OLG Düsseldorf findet seit März diesen Jahres ein Verfahren gegen eine Frau und zwei Männer statt, denen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, der DHKP-C, vorgeworfen wird (§ 129b StGB). Darüber hinaus werden sie beschuldigt, Spendenkampagnen für die DHKP-C durchgeführt und Erlöse aus Veranstaltungen und dem Verkauf von Publikationen der Organisation zur Verfügung gestellt zu haben. Hierin sieht die Bundesanwaltschaft (BAW) einen Verstoß gegen § 34 Abs. 4 Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer „einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr-, Verbringungs-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient“.

Diese kaum verständliche strafrechtliche Blankettvorschrift verweist auf die sog. EU-Terrorliste. Die auf der Grundlage einer EG-Verordnung (2580/2001) eingeführte und vom Rat der EU erstellte Liste bezeichnet Gruppen und Einzelpersonen, die als „terroristisch“ eingestuft werden und deren Vermögen eingefroren wird. Ihnen dürfen als Folge der EG-Verordnung 2580/2001 weder direkt noch indirekt Gelder oder Vermögenswerte zugeleitet werden. Aufgrund der so genannten doppelten Verweisung in § 34 Abs. 4 AWG wurden die EG-Verordnung sowie die Listen als solche in das nationale Strafrecht inkorporiert. Zu den gelisteten Organisationen zählt u.a. auch die DHKP-C.

Rechtlicher Hintergrund
Die EU-Terrorliste und das Prozedere zur Listung sind seit ihrer Einführung Gegenstand massiver Kritik von Menschenrechtsorganisationen, da eine Listung ohne ausreichende Begründung und Beweise sowie unter Missachtung grundlegender Verteidigungsrechte der Betroffenen erfolgt und ein effektiver Rechtsschutz nicht vorgesehen ist. Entsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof erster Instanz (EuG) bereits in mehreren Verfahren die Nichtigkeit und Unwirksamkeit der Listung hinsichtlich klagender Gruppen und Einzelpersonen festgestellt. Die Listung der DHKP-C beruht auf den gleichen Mängeln. Allerdings ist die Organisation bislang nicht gegen ihre Aufnahme in die EU-Terrorliste rechtlich vorgegangen.

Das nun zur Entscheidung anstehenden Verfahren gibt dem EuGH die Gelegenheit zu einer grundlegenden Klarstellung: Hierzu erklärt Rechtsanwalt Carsten Gericke, Geschäftsführer des RAV:

„Die Listung von Organisationen, die unstrittig unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien zustande gekommen ist, ist als nichtig zu klären. Sie kann keinesfalls eine Grundlage nationaler Strafverfolgung bilden. Andernfalls droht eine weitere Erosion rechtsstaatlicher Prinzipien durch die europäische Hintertür.“

Die mündliche Verhandlung findet am 12. Mai 2010 um 9.30 Uhr am EuGH (Rue du Fort Niedergrünwald, Luxemburg-Kirchberg) statt.

Veranstaltung: 18. März – internationaler Tag der politischen Gefangenen

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Eine Veranstaltung der Roten Hilfe Hamburg
Dienstag, 23.03.2010, 19.30 Uhr
ACHTUNG: DER VERANSTALTUNGSORT WURDE GEÄNDERT – DIE VERANSTALTUNG FINDET STATT IM SKORBUT, HOPFENSTR. 34

Den Flyer zum Download als .pdf gibt es HIER

Am 18. März 1871 übernahm mit der Ausrufung der Pariser Commune erstmals in der Geschichte die Arbeiter_innenklasse die politische Macht. Knapp 70 Tage konnte sich die Pariser Commune gegen die bürgerliche französische Armee und den preußischen Belagerungsring behaupten und zeigen, daß das Proletariat seine Angelegenheiten auch ohne eine bürgerliche Herrschaft sehr gut regeln kann. Am 21. Mai 1871 begann die militärische Niederschlagung der Pariser Commune, gipfelnd in eine wahre Blutwoche des bürgerlichen Terrors: Über 30.000 Männer, Frauen und Kinder wurden als Sympathisant_innen oder Teilnehmer_innen der Commune per Massenexekutionen hingerichtet, mehr als 40.000 Menschen wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und in Strafkolonien deportiert.

Die Internationale Roten Hilfe (IRH) führte 1923 in Erinnerung an die Pariser Erhebung und deren grausame Niederschlagung den Internationalen Tag der Politischen Gefangenen ein, der jedes Jahr am 18. März begangen wurde. Nach der Zerschlagung der Arbeiter_innenbewegung in Deutschland durch den Faschismus geriet dieser Gedenktag weitgehend in Vergessenheit. Seit 1996 wird der Tag jedoch wieder jedes Jahr u.a. von der Roten Hilfe begangen, um an die politischen Gefangenen aus linken Bewegungen zu erinnern, die wegen ihrer politischen Gesinnung verurteilt wurden und teils seit vielen Jahren und Jahrzehnten in Knästen oder Todestrakten (wie z.B. Mumia Abu-Jamal) eingesperrt sind. Der Tag soll an unsere politischen Gefangenen erinnern und zur Unterstützung für die Inhaftierten beitragen.

Unsere Veranstaltung soll eingangs die Geschichte der Pariser Commune beleuchten und die Tradition des 18. März in Deutschland aufzeigen. Eingeladen haben wir als Referenten Jan Steyer von der Roten Hilfe.