Pressemitteilung: Skandalöses Urteil im politischen Schauprozess gegen Deniz K.

Vor drei Tagen hat die Jugendkammer des Landgerichts Nürnberg ihr Urteil gegen den Antifaschisten Deniz K. gefällt. Zwar konnte die von der Staatsanwaltschaft bis zuletzt vehement geforderte Verurteilung wegen versuchten Totschlags abgewendet werden; trotzdem blieben am Ende die so genannten Straftaten „Versuchte gefährliche Körperverletzung“, „Landfriedensbruch“ und „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ übrig, für die der angeklagte Antifaschist nun zweieinhalb Jahre ins Gefängnis gehen soll.

Dieses skandalöse Urteil, das auffällig weit über die für derart niedrigschwellige „Vergehen“ sonst verhängten Strafmaße hinausgeht, verdeutlicht in extremer Weise, dass es sich beim Prozess gegen Deniz von Anfang an um einen politischen Schauprozess gehandelt hat, der – aus rechtsstaatlicher Perspektive – Schule machen soll. Das Urteil kann nur als ein Versuch systematischer Abschreckung junger, politisch engagierter Menschen gewertet werden, die in Zukunft Angst davor haben sollen, für mehrere Jahre aus ihrem Leben gerissen werden zu können, nur weil sie auf einer antifaschistischen Demonstration Unmut über das Agieren vollständig gepanzerter Polizeieinheiten geäußert haben.

Eine weitere Besonderheit kommt bei diesem Verfahren, das die ganze Zeit über vom Belastungseifer der beteiligten Beamt_innen und von einer Fülle an massiven Verstößen und Rechtsbrüchen geprägt war, dem Umstand zu, dass die von Deniz vermeintlich begangenen „Straftaten“ auf einer Demonstration des örtlichen antifaschistischen Aktionsbündnisses am 31.03.2012 registriert wurden, die das NSU-begünstigende Verhalten staatlicher Behörden und des Inlandsgeheimdienstes zum Thema hatte und aus diesem Grunde in Nürnberg stattfand. Nürnberg gehört zu den vom NSU-Terror am heftigsten betroffenen Städten Deutschlands; hier wurden Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru und Ismail Yasar hingerichtet.

Während hier also eine faschistische Terrorbande jahrelang unter dem Schutz und der Fürsorge des Inlandsgeheimdienstes und unter der stillschweigenden Duldung von Teilen des Polizeiapparates morden konnte, wird einem antifaschistischen Aktivisten völlig haltlos vorgeworfen, er
habe aus reiner Mordgier mit einer „zwei Meter langen, angespitzten Holzstange und einer weiteren Eisenstange“ auf „friedliebende“ Polizeibeamt_innen eingeschlagen. Deniz` Rechtsanwalt Heiming betonte deshalb in seinem Schlussplädoyer, dass das Gericht hier zielgerichteter und eifriger gearbeitet habe als bei den NSU-Morden; und dabei auch über diverse rechtliche Rahmen hinaus geschossen habe.

Deniz K. hat für ein „Delikt“, das sonst mit maximal vier Wochen Dauerarrest geahndet werden könnte, zweieinhalb Jahre aufgebrummt bekommen. Das ist Gesinnungsjustiz. Hier steht ein 19-jähriger Aktivist stellvertretend für eine ganze politische und antifaschistische Bewegung am Pranger, während staatliche Ermittlungsbehörden seit mehreren Jahren nicht willens sind, Licht ins Dunkel eines wirkmächtig gewordenen race war von NationalsozialistInnen zu bringen.

Dass genau daran auch das Landgericht Nürnberg kein Interesse hat – also an der Schaffung von Möglichkeiten zu kritischer Öffentlichkeit – bewies
es kurz nach Urteilsverkündung, indem es den Gerichtssaal mit völlig überzogenem Einsatz staatlicher Gewalt räumen ließ. Das „Vergehen“ des
solidarischen Publikums: das Skandieren der Parole „Freiheit für Deniz“!

Wir fordern die sofortige Freilassung unseres Genossen Deniz K.!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Heiko Lange für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

Für weiter gehende Fragen können Sie sich an das Solikomitee „Freiheit für
Deniz“ wenden:
c/o Archiv Metropoletan
Eberhardshofstr. 11
90429 Nürnberg
denizk.blogsport.de

Spendenkonto: Rote Hilfe, GLS, Kto.: 4007238359, BLZ: 43060967,
Verwendungszweck: „Freiheit für Deniz“

Anquatschversuch des VS in Hamburg

Am 16.10.2012 wurde eine Hamburgerin vor ihrer Haustür von zwei Frauen des Verfassungsschutzes aus Köln angesprochen und auf einen Kaffee
eingeladen. Als sie nachmittags mit dem Fahrrad nach Hause kam, standen die zwei vor ihrer Haustür und sprachen sie gezielt mit vollem Namen an.

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Aufruf zur Prozessbeobachtung am 11. und 12.10.2012 und Kundgebung am 13.10.12

Am 13. August 2012 begann der Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Ali Ihsan Kitay vor dem Oberlandesgericht in Hamburg wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ gemäß § 129b StGB. Ihm wird vorgeworfen, 2007-2008 „in Hamburg und der nördlichen Region verantwortlicher Kader der PKK“ gewesen zu sein. Wegen diesem Vorwurf befindet er sich bereits seit dem 12. Oktober 2011, also mittlerweile 1 Jahr, in Untersuchungshaft, davon die meiste Zeit in Isolationshaft. Der kurdische Politiker saß bereits 20 Jahre in der Türkei im Gefängnis und wurde dort mehrfach schwer gefoltert.

Konkrete Straftaten oder Anschläge in der BRD werden ihm nicht vorgeworfen. Entscheidend ist, auch vom Gesetzeswortlaut des § 129b her,
vielmehr die Frage, ob es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung oder eine legitime Befreiungsbewegung handelt. Die damit
einhergehenden politischen und völkerrechtlichen Fragen will das Gericht jedoch möglichst unbehandelt lassen. Denn dies würde bedeuten, sich mit
der menschenrechtlichen Situation in der Türkei ebenso wie mit den sonstigen politischen Verhältnissen in den kurdischen Provinzen der
Türkei, insbesondere auch der breiten Verankerungen der kurdischen Bewegung in der Bevölkerung, zu beschäftigen.
Von Anfang an wurde der Prozess vom Gericht jedoch so inszeniert, dass klar ist, dass es hier um Aburteilen geht und politische Fragen nur behandelt werden sollen, wenn es dem Staat in den Kram passt. So wurden ausnahmslos alle Dokumente, die die kurdische Sicht auf den Konflikt
darstellen aus dem Prozess ausgelagert und ins sogenannte „Selbstleseverfahren“ gegeben. Damit wird verhindert, dass die Öffentlichkeit den Inhalt der Dokumente erfährt. Vor Gericht soll so nur die Sicht der Bundesanwaltschaft zu hören sein.

Lasst uns diesem Versuch des Gerichts gemeinsam eine kritische und laute Öffentlichkeit entgegen stellen. Durchbrechen wird die von den Repressionsorganen beabsichtige Isolation.

Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
„Wir stehen einem System gegenüber, das seine eigenen Gesetze nicht beachtet, dass Recht nicht respektiert und antidemokratisch agiert. Was macht das Menschsein aus? Kann ein Individuum, das sozial völlig isoliert wird noch seine menschlichen Eigenschaften behalten? Ein Mensch wird durch seine sozialen und kulturellen Aktivitäten zum Mensch. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Der isolierte Mensch ist ein toter Mensch, und dies ist Kern und Ziel der mir aufgedrückten Maßnahmen und gegen mich angewandten Politik.“ (aus der Prozesserklärung von Ali Ihsan)

Setzen wir dem etwas entgegen!
*Kommt zu den nächsten Prozessterminen am 11. und 12. Oktober, Sievekingplatz 3, Raum 237, 9 — 16 Uhr und zur Kundgebung , Samstag 13.10. , 15:30h UG Holstenglacis, U-Messehallen**

**Betroffen ist einer, gemeint sind wir alle! Solidarität mit Ali Ihsan
Kitay!*
Solidaritätsbündnis für Ali Ihsan Kitay, Hamburg

http://freealiihsan.tk/

Info zu den Urteilen vom G8 2001 in Genua

Anm: Der Text stammt nicht von der Roten Hilfe Hamburg, wir veröffentlichen ihn hier zur Dokumentation

Fünf DemonstrantInnen von den Protesten gegen den G8-Gipfel 2001 in Genua erhielten am 14.7.2012 drakonische Strafen. Obwohl sie nur Gewalt gegen Sachen verübten, kannte das Gericht kein Erbarmen.

Äußerst drakonische Strafen hat der Kassationsgerichtshof in Rom für fünf DemonstrantInnen verhängt, die wegen Protesten auf dem G-8-Gipfel von Genua im Juli 2001 angeklagt waren. Ein Angeklagter muss für 14 Jahre in Haft, drei weitere erhielten Strafen zwischen zehn und zwölfeinhalb Jahren wegen Beteiligung an den Ausschreitungen, eine junge Frau, gerade Mutter geworden, erhielt sechseinhalb Jahre. Zwei der Veruteilten sind untergetaucht.

Zur Verurteilung griffen die Richter auf ein unter der Mussolini-Regierung verabschiedetes Gesetz gegen Straßenproteste zurück.(Verwüstung und Plünderung). Hier schließt sich der Kreis: Nach dem faschistischen Polizeiterror werden die Protestierenden mit faschistischen Sondergesetzen für Jahre weggesperrt. Der Zweck ist eindeutig: Es soll eine Warnung an neue Proteste sein, die sich im Zeitalter der kapitalistischen Krise in vielen europäischen Ländern entfalten könnten. Deshalb werden von Spanien, über Griechenland bis Irland die Gesetze verschärft um Protest zu kriminalisieren.

Der Kampf geht weiter!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Prozesserklärung der Genossin Marina Cugnaschi im Gericht in Rom vom 14. Juli 2012, wo sie zu 11 Jahren und 9 Monaten Gefängnis für die Ereignisse vom Juli 2001 während den G8-Protesten verurteilt wurde:

Ich als Anarchistin anerkenne  nicht den Justizapparat als Organ des Staates, welches zu nichts anderem da ist, als die priviligierten Klassen und das Privateigentum zu schützen. Also wende ich mit folgender Erklärung an alle jene draussen, die meine Worte verstehen:

Ich wende mich an jene unteren Klassen, welche durch das sogenannte fortschrittliche, moderne und kapitalistische System, welches immer rücksichtsloser und ausgrenzender wird,   ausgebeutet und unterdrückt werden.

Desweiteren erkläre ich ferner, dass ich nichts zu meinem Verhalten, meinen Überzeugungen und meinen politischen Entscheidungen zu klären haben; und desweiteren will ich auch nicht um Gnade bitten bei den Herren des Gerichts.

Den sehr politischen Charakter dieses Strafverfahrens erfordert eine klare Position, insbesondere angesichts der zahlreichen Versuche der Justiz und den Medien die Angeklagten dieses Prozesses zu diskreditieren und zu entpolitisieren.

Personen, die gegen ihren Willen,mit Kapuzen auf den Köpfen, in den Gängen der bürgerlichen Justiz gelandet sind um dann in einigen Fällen als einen Haufen von gewalttätigen Schlägern dargestellt werden. In anderen als eine  Horde von Barbaren, welche auf die Strassen von Genua mit der einzigen Absicht gingen, um zu verwüsten und plündern.

Nein, meine Herren, einstweilen sende ich den Vorwurf ?Verwüstung und Plünderung? direkt an den Absender zurück, weil es nicht Teil meines polititischen und historischen Gepäckes ist.

Die soziale Klasse, zu der ich gehöre ist bis zum Rand gefüllt mit Ungerechtigkeit, Unterdrückung  und Demütigung; auferlegt von den Mächtigen.
Und es liegt im Heiligtum der demokratischen Inquisition, wo die systematischen, sozialen Ungerechtigkeiten begangen werden, deswegen betone ich nochmals meine klare Ablehnung gegen alle Formen der Herrschaft, sozialer Ungleichheit und Ausbeutung.

Obwohl ich mir als Feindin eurer Klasse bewusst bin, dass mir eine schwere Strafe auferlegt wird, weil mir Grundsätze wichtig sind, die absolut im Widerspruch zur etablierten Ordnung stehen; kann ich Ihnen versichern, dass ich als  ArbeiterIn die wirklichen Zerstörer und Plünderer kennengelernt habe.

Sie residieren in den Palästen von Luxus und Macht; die Mächtigen, Staatsoberhäupter, kurz, die ganze herrschende Klasse dieses hinterhältigen Systems. Im Namen des Profites, Prestiges und der absoluten Macht, plündern und rauben ein kleiner Prozentsatz von Mächtigen den Planeten. Sie treiben Millionen von Menschen im Süden in den Hunger und in die Armut. Hier im Westen behandeln sie die ArbeiterInnen wie SklavInnen und sind verantwortlich für so einige Todesfälle.

Begraben in den Gefängnissen, sind alle jene, die gezwungen sind am Rand dieser Wohlstandsgesellschaft zu leben. Ihre Kriege, ob sie mal zynisch humanitär oder erobernd sind, es spielt keine Rolle;  denn sie töten ganze Völker, zerstören Dörfer und plündern die Ressourcen; die Listen ihrer Greueltaten sind lang. Gegen all das ist es nötig zu kämpfen mit einem entschiedenen, unermüdlichen Kampf gegen die Diktatur des Kapitalismus.

Für mich war dies die Bedeutung der antiimperialistischen und antikapitalistischen Protesten in Genua im Jahre 2001, nicht so sehr weil ich denke, dass es das ?einzige? politische Ereignis im Leben der Ausgebeuteten ist, bestimmt durch die Anwesenheit der Herren der Erde; von deren üppigen Banketten ein paar Krümel fallen, ich habe es aus Kontinuität auf meinem bereits eingeschlagenen politischen Weg gemacht, getrieben durch das starke Bedürfnis einer Transformationen dieses sozialen Modelles, welches auf Unterdrückung basiert.

Es sind auch dieselben Gründe, welche mich weiterhin motivieren an den Kämpfen, welche von unten aufgebaut sind, teilzunehmen. Situationen, welche weniger ?spektakulär? sind als jene von Genua, wo die Präsenz der Medien der Mächtigen immens war, aber dafür ?authentisch?.

Obwohl die Mächten in Genua 2001 versuchten alle Formen der Ablehnung gegenüber den Herrschenden zu verhindern, wurde in diesen Tagen mit viel Entschlossenheit ein grundlegendes Prinzip durchgesetzt: Es ist der Bewegung trotz immenser militärischer und polizeilicher Präsenz gelungen, sich den urbanen Raum anzueignen.

Kein Urteil wird in der Lage sein, die Geschichte jener Tage umzuschreiben. Carlo wird auch weiterhin jeden Tag in unseren Kämpfen weiterleben.

Genova, Luglio 2012
Marina Cugnaschi

zum Schreiben:

Marina Cugnaschi
c/o Casa Di Reclusione Di Milano – Bollate
Via Cristina Belgioioso N° 120 – cap 20157 Milano (MI)

Pressemitteilung Rote Hilfe e.V. und Solidaritätskomitee Frankfurt: Ablehnung des Gerichts zum Auftakt des RZ-Prozesses in Frankfurt am Main

Im Hochsicherheitssaal des OLG Frankfurt begann heute der Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger. Begleitet wurde der Auftakt von einer vor dem Gericht abgehaltenen Solidaritätskundgebung zahlreicher Prozessbesucher_innen. Mit Transparenten und kurzen Ansprachen – auch von aus Frankreich angereisten Aktivist_innen, die langjährig gegen die Auslieferung der beiden Angeklagten kämpften – wurde gegen dieses Verfahren der Politischen Justiz protestiert.

Nach über 30 Jahren sind die beiden wegen verschiedener Anschläge der Revolutionären Zellen unter anderem gegen die Atomwirtschaft und die so genannte Stadtsanierung angeklagt. Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft Sonja Suder eine Beteiligung an der Organisierung der Besetzung der Konferenz der OPEC-Minister 1975 in Wien vor.

Die zwei selbstbewussten Angeklagten wurden beim Betreten des vollbesetzten Gerichtssaals mit großem Applaus und vielen Zurufen freudig begrüßt. Neben Frankfurter Freundinnen aus Schul- und Studienzeiten waren aus Europa und dem gesamten Bundesgebiet zahlreiche Genoss_innen gekommen.

Nach der üblichen Feststellung der Anwesenheit der beiden Angeklagten, noch vor Verlesung der Anklage, wurden die Richter_innen von der Verteidigung wegen Befangenheit abgelehnt. „Zu Recht müssen die beiden Angeklagten davon ausgehen, dass die Richter_innen nicht unparteiisch sind, weil sie eine Anklage zugelassen haben, die sich auf unter folterähnlichen Umständen gewonnenen Aussagen eines Schwerstverletzten und eines unglaubwürdigen Kronzeugen stützen“, so Jona Fritz vom Solikomitee Frankfurt. Der bei einem Unfall mit einem selbstgebauten Sprengsatz lebensgefährlich verletzte Herrmann Feilung wurde direkt nach der Reanimation im Kampf ums Überleben und ohne zu wissen, mit wem er redet, von Polizisten ausgefragt und unter Druck gesetzt.

Dies zeigt, wie wichtig es ist, diesen Prozess aufmerksam und kritisch zu begleiten.
Der Prozess wird am 2. Oktober fortgesetzt.

Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. / Das Solidaritätskomitee Frankfurt

Göttingen, den 21.09.2012

Pressemitteilung der Ortsgruppe Göttingen: Freispruch für Göttinger Antifaschisten

Am 20.09.2012 fand vor dem Amtsgericht Göttingen ein Prozess gegen einen kommunistischen Antifaschisten statt. Die Anklage wurde im Zuge der Proteste gegen die Veranstaltung „Sicherheitspolitik in Niedersachsen und Göttingen “ erhoben, zu der Innen- und Abschiebeminister Uwe Schünemann (CDU) und der Göttinger Polizeichef Robert Kruse geladen waren.

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen am 10.01.2012 während der Proteste einen Polizisten mit einem Kniestoß in die Genitalien getreten und damit eine Körperverletzung begangen zu haben. Außerdem wurde ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Nach der Sichtung der vermeintlichen Beweisvideos plädierten sowohl die Staatsanwältin als auch die Verteidigerin auf Freispruch.
Die ca. 40 Zuschauer_innen, die sich aus Solidarität mit dem Betroffenen vor dem Amtsgericht Göttingen versammelt hatten, mussten durch einen gesonderten Eingang das Gebäude einzeln betreten. Wer in das Gebäude wollte, hatte sich zunächst einer Durchsuchungsprozedur zu unterziehen. Handys und Rucksäcke mussten gegen den Erhalt einer Wertmarke abgegeben werden. Dazu erhielt jede_r eine blaue „Eintrittskarte“ für den Prozess, der somit an eine Theatervorstellung erinnerte.

Zu Beginn des Prozesses stellte sich heraus, dass sich die Polizei kurz vor Prozessbeginn dazu herabließ dem Gericht ein Video zukommen zu lassen, sodass der Prozess gleich zu Beginn für eine halbe Stunde unterbrochen werden musste.

Der Angeklagte nutzte die Gelegenheit, um eine politische Erklärung zu verlesen. In seiner Erklärung stellte er die Kontinuitäten der Verfolgung von Kommunist_innen und dem institutionellen Rassismus in Syrien und in der BRD dar. Zum Tatvorwurf äußerte er sich nicht. Bei der Vernehmung des sog. „Geschädigten“ und der Sichtung der zwei Videos (das ominöse Video der Polizei und eines von der Verteidigung) wurde ziemlich schnell klar, dass auf keinem der Videos etwas zu erkennen ist, was den Schilderungen des sog. „Geschädigten“ entspricht und somit die Anklage stützen konnte. Das Gericht ließ verlauten, dass es Zweifel an der Geschichte über den Antifaschisten habe, der in einem Gedränge, in dem sich niemand mehr frei bewegen konnte, irgendwie ein Knie gehoben haben soll.

Nach dem Freispruch machte der „Geschädigte“ auf dem Flur seinem Ärger Luft. Dabei hatte er noch Glück, denn alles in allem dürfte er selbst einer Strafanzeige nur knapp entronnen sein. Denn wie das Gericht feststellte, war ein Tritt von dem Angeklagten in die Genitalien mit dem Knie bei der Stellung der Personen und dem Gedränge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Zudem habe der Geschädigte in den Videos zu keinem Zeitpunkt eine dem Kniestoß angemessene Reaktion gezeigt. Das vorliegende ärztliche Attest bescheinigte zwar mehrere kleinere Verletzungen, jedoch keine Hodenprellung. Diese sei aber auf der Rechnung vom Krankenhaus bescheinigt, die er aber nun leider nicht dabei habe, so der sog. „Geschädigte“. Er dürfte sich zumindest jetzt so fühlen, als hätte tatsächlich jemand das Bein gegen ihn erhoben und ihm ans selbige gepisst.

Auch wenn es heute mit einem Freispruch geendet hat: Die Kriminalisierung des Genossen und damit des legitimen Protests am 10.01.2012 ist nicht hinwegzudenken und bleibt. Es werden noch weitere Prozesse gegen Genoss_innen folgen. Ebenso war die stigmatisierende Sonderbehandlung beim Eintritt in das Amtsgericht kein Zufall. Sie zeigt wieder einmal die Kriminalisierung antifaschistischen Engagements und die Reichweite des langen Arms des Schünemann-Kruse-Ungeheuers.

Seid solidarisch, denn Solidarität ist eine Waffe!
Wir sehen uns bei dem nächsten Theater.
Rote Hilfe OG Göttingen

Pressemitteilung zum anstehenden RZ-Prozess in Frankfurt am Main

„Der Staat vergisst nicht – wir auch nicht!“

Am 21. September beginnt vor dem Frankfurter Landgericht der Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger, denen drei Anschläge der Revolutionären Zellen (RZ) in den 1970er Jahren vorgeworfen wird. Sonja Suder wird zusätzlich beschuldigt, Waffen für den Angriff auf die Konferenz erdölexportierender Staaten (OPEC) 1975 in Wien besorgt zu haben.

Auch mehr als 30 Jahre nach den Aktionen der Stadtguerilla scheuen die Repressionsbehörden weder Kosten noch Mühen, linke Politik zu
kriminalisieren. Nachdem die jahrelangen Versuche scheiterten, die beiden im französischen Exil Lebenden nach Deutschland zu holen, erließ die
deutsche Staatsanwaltschaft 2011 einen Europäischen Haftbefehl, der eine Auslieferung innerhalb Europas möglich machte.

Abgesehen vom hohen Alter der beiden, vom gesundheitlich schlechten Zustand Christians und vom Jahrzehnte andauernden Verfolgungswillen des
deutschen Staates erreicht der Prozess in der Beweisführung gegen die Angeklagten den Höhepunkt der Absurdität. Die Anklage stützt sich einzig
auf zwei Zeugenaussagen, die mehr als fragwürdig sind.

Im Falle der RZ-Brandanschläge bedient sich die Staatsanwaltschaft der Äußerungen des schwer verletzten Hermann Feiling, die skandalöserweise
unter folterähnlichen Bedingungen zustande kamen. Hierzu Jona Fritz vom Solikomitee Frankfurt: „Man muss sich das mal vorstellen, dass Hermann Feiling, direkt nach einer Explosion und dem Verlust seiner Augen und Beine, unter starken Schmerzmitteln stehend und orientierungslos verhört wurde. Anwaltlicher Beistand wurde ihm verwehrt.“

In der weiterführenden Klage gegen Sonja zum OPEC-Angriff bezieht sich das Frankfurter Landgericht auf Aussagen des Kronzeugen Hans-Joachim Klein. Kleins Aussagen wurden in einem früheren Prozess von einer anderen Kammer desselben Gerichts bereits als unglaubwürdig eingestuft. Da die Anklage ausschließlich auf diesen Belastungen basiert, stellt sich die Frage nach der Motivation zu diesem Prozess.
Ein Mitglied des Bundesvorstands der Roten Hilfe erklärt dazu: „Der deutsche Staat will hier die Geschichte linker Politik neu schreiben, und
militante Aktionen gegen Atomkraft und so genannte Stadtaufwertungsprozesse sollen Jahrzehnte später noch bestraft werden.
Diese sind aber heute wie damals wichtiger Bestandteil linker sozialer Kämpfe.“

Sonja und Christian verweigern seit Jahren jede Zusammenarbeit mit den Strafbehörden. Auch wenn sie dafür lange Haftstrafen und erschwerte
Lebensbedingungen in Kauf nehmen, bleiben sie bei ihrer konsequenten Aussageverweigerung. Die Rote Hilfe solidarisiert sich mit Sonja und
Christian.

Freiheit und Glück für alle politischen Gefangenen.

Aus diesem Anlass findet am 21. September 2012 ab 8.00 Uhr eine Kundgebung vor dem Landgericht Frankfurt statt, bevor darin um 9.00 Uhr der erste von vielen Prozesstagen beginnt.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

Weiterführende Informationen und Hintergründe finden Sie unter
www.verdammtlangquer.org

Göttingen, den 17.09.2012

Pressemitteilung des „Bündnis Freiheit für Ali Ihsan“: Verfassungsgericht soll über §129 b entscheiden – Der dritte und vierte Tag im Verfahren gegen den kurdischen Politiker Ali Ihsan Kitay

Am Montag, den 13. August hatte vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg das Verfahren gegen den kurdischen Politiker und Aktivisten Ali Ihsan Kitay begonnen. Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft dem 47 jährigen Kurden vor, dass er als Kader der PKK ab Mai 2007 das Gebiet Hamburg und ab Juni 2007 zusätzlich die Region Hamburg geleitet haben soll. Straftaten in Deutschland werden ihm nicht vorgeworfen.

Die Verteidigung Kitays stellte am dritten Prozesstag, Dienstag den 21. August, den Antrag das Verfahren auszusetzen. Das OLG Hamburg solle eine Entscheidung des Bundesverfasungsgerichtes einholen, ob § 129 b gegen das Grundgesetz verstößt. In der folgenden Antragsbegründung legte Rechtsanwalt Carsten Gericke dar, warum § 129 b verfassungswidrig ist. In der juristischen Literaratur werde die Einführung des Paragrafen zurecht als gesetzgeberischer Aktionismus nach den Anschlägen des 11. 09. 2002 kritisiert. Er weise deshalb starke handwerkliche und rechtstaatliche Fehler auf. Der Paragraf sei zu unbestimmt und beliebig auslegbar und könne zudem durch seine universelle Anwendbarkeit, in Bezug auf Sachverhalte in Staaten außerhalb der EU über die meist zu wenig detaillierte Sachkenntnis vorliegt, letztlich nicht effektiv zum Schutz der öffentlichen Sicherheit in der BRD beitragen.

„Der § 129 a kann nicht, wie durch die Etablierung des § 129 b versucht wird, auf Länder übertragen werden, die nicht rechtstaatlich organisiert sind. In diesen ist es als legitim zu werten, dass Befreiungsbewegungen oder bewaffnete Milizen Widerstand gegen Grund- und Menschenrechtsverletzungen oder staatliche Willkür leisten,“ so Gericke. Deren Handeln dürfe deshalb nicht als Terrorismus definiert und strafrechtlich verfolgt werden. Dies werde zum Beispiel Heute in Bezug auf den ANC und Nelson Mandela, die Zapatisten, die Sandinisten, die die Regierung Nicaraguas stellen oder die FMLN in El Salvador weder politisch noch juristisch in Frage gestellt. Menschen die für diese Bewegung Unterstützung mobilisieren oder Spenden sammeln, würden berechtigterweise auch in der Bundesrepublik nicht strafrechtlich verfolgt. Das gleiche Prinzip müsse auch für Bewegungen, wie z.b. die kurdische Befreiungsbewegung, die die Unterstützung einer Bevölkerung von mehreren Millionen Menschen in solch einer legitimen Auseinandersetzung genießt, gelten.

Dadurch, dass das Bundesministerium für Justiz durch eine Ermächtigung entscheidet welche Bewegung strafrechtlich verfolgt wird und welche nicht, würden Strafrecht und Gerichte für politische Interessen mißbraucht, so Gericke. Die Entscheidung über eine Bewertung der Bewegungen falle bei der Ermächtigung zur Verfolgung gemäß § 129 b nicht in einem öffentlichen und transparenten juristischen Verfahren, sondern hinter verschlossenen Türen auf politischer Ebene. Außenpolitischen Interessen folgend würden so zum Beispiel fälschlicher Weise Einschätzungen von Regierungen und Behörden verbündeter Staaten, in denen legitimer Widerstand gegen gravierende Rechtsverletzungen als Terrorismus definiert wird, übernommen.

Die Vertreterin der BAW forderte, diesen Antrag sofort abzuweisen und zitierte dazu eine Urteilsbegründung des OLG München aus einem Al Qaida Verfahren, in dem lediglich wenige Sätze in Bezug auf Teilaspekte des o.g. Problemfelds beurteilt werden. Die Verteidigung erwiderte darauf, dass die BAW den Kontext verfehlt habe und Aspekte wie die Unterstützung der kurdischen Bewegung durch einen Großteil der Bevölkerung, das erlitteene Leid mehrerer Millionen Menschen, die anhaltende Folterpraxis in der Türkei sowie die staatliche Nichtakzeptanz der kurdischen Kultur und der Existenz der KurdInnen überhaupt, ausblende. Zudem müsse jeder Erstsemesterstudent über die juristische Bezuglosigkeit der Stellungnahme der BAW lachen, was die anwesenden ZuschauerInnen zu diesem Zeitpunkt bereits ausgiebig getan hatten.

Das Gericht vertagte die Entscheidung über den Antrag sowie völkerrechtliche Aspekte insgesamt auf einen angemessenen Zeitpunkt, nach der Klärung des Sachverhalts. Mehr als fraglich ist, wie die Rechte des Angeklagten so gewahrt werden sollen. Nach der Klärung des Sachverhalts bedeutet faktisch – nachdem geklärt wurde ob Ali Ihsan Kitay eine leitende Funktion innerhalb der PKK eingenommen hat. Wenn aber die Strafbarkeit einer solchen Tätigkeit gemäß § 129 b, durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht mehr gegeben wäre, würde die gesamte Grundlage des Verfahrens entfallen. Das hieße dann unter anderem, dass Ali Ihsan Kitay mehr als ein Jahr Untersuchungshaft ohne rechtliche Grundlage verbüßt hätte.

Danach ließ das Gericht mehrere Stunden lang Telfonüberwachungsaufzeichnungen anhören. Deren Inhalt waren unter anderem private Belange, wie z.b. in ein Gespräch von Ali Ihsan Kitay mit seinem Bruder in der Türkei. Weitere Gespräche, in denen sich der Angeklagte mit FreundInnen über alltägliche Belange oder Demonstrationen unterhielt, werden seitens der BAW, für ProzessbeobachterInnen anhand der gehörten Gespräche nicht nachvollziehbar, als Beweis für die Leitungsfunktion Ali Ihsan Kitays in der PKK gewertet.

Vierter Verhandlungstag – Widerspruch gegen die Verwertung von erfolterten Aussagen

Am vierten Verhandlungstag widersprach die Verteidigung Ali Ihsan Kitays u.a. der Verwertung von Rechtshilfeersuchen aus der Türkei. In unzähligen Beschlüssen von Oberverwaltungsgerichten (OVG) wurde festgestellt, dass die Türkei nicht rechtstaatlich organisiert ist – und in Strafverfahren regelmäßig erfolterte Aussagen verwendet werden. Die PKK wird staatlicherseits als Hauptfeind definiert und die Verfolgungsbehörden würden alle Mittel nutzen, auch Folter und Menschenrechtsverletzungen um Mitglieder und Sympatisanten der Organisation zu Aussagen zu zwingen oder von weiteren Aktivitäten abzubringen, so die OVG in sämtlichen Urteilen. Deshalb seien die Rechtshilfeersuchen aus der Türkei oder weiteren Ländern, in denen sich Behörden auf erfolterte Aussagen aus der Türkei beziehen, im Prozess nicht verwertbar, erklärte Rechtsanwältin Cornelia Ganten Lange. Darüber hinaus haben die Rechtshilfeersuchen der BAW zum Teil schon seit Januar 2011 vorgelegen. Obwohl den BundesanwältInnen bewusst war, dass diese in die Anklage einfließen sollen, habe sie diese jedoch erst jetzt Gericht und Verteidigung zur Einsicht gegeben. Die Gleichbehandlung der Prozessbeteilgten (Waffengleichheit) sei dadurch grob verletzt, so Rechtsanwalt Gericke. Die Vertreterin der BAW forderte ohne nachvollziehbare Argumentation, dass der Antrag zurückgewiesen wird. Die Entscheidung über den Antrag wurde vertagt.

Zudem entschieden die 5 RichterInnen des OLG über den Antrag der Verteidigung, die das Selbstleseverfahren in großem Umfang kritisiert hatte. Diejenigen der mehr als 200 Dokumente, in denen Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA) Wertungen vorgenommen haben und einige unvollständig oder völlig konfus übersetzte Texte sollen nun nicht mehr per Selbsleseverfahren eingeführt werden. Die RichterInnen folgten somit einem Teil der Argumentation der Verteidigung. Da ein großer Anteil der beabsichtigten Dokumente aber weiterhin nur von den Richterinnen, der BAW, der Verteidigung und Ali Ihsan Kitay gelesen werden sollen und nicht in der Verhandlung thematisiert werden, wird der Öffentlichkeit trotzdem nur ein unvollständige und verzerrte Sicht auf die Hintergründe der Anklage und die Sachlage im Verfahren zugänglich.

Wir fordern Freiheit für Ali Ihsan Kitay und Frieden in Kurdistan !

Der nächste Prozesstermin ist Freitag der 31.08.2012, im OLG Hamburg, Sievekinplatz 1

Keine Beratung am 31.7.

Nächste Woche (31.7.) muss die Beratung leider ausfallen, ab der Woche darauf geht es aber wie gewohnt jeden Dienstag 19.30h-20h weiter.